Mehrsprech – „Cool War“

Mehrsprech

Kurz-Definition: „Cool War“ beschreibt eine neue, diffuse Art von Krieg mittels Cyberattacken und Drohnen, der praktisch nie beendet ist

Wir alle kennen den „kalten Krieg“, der bis zum Fall der Mauer zwischen Ost- und Westblock herrschte: Zwei offen verfeindete Mächte, die sich dennoch keine militärischen Kämpfe (also einen „heißen Krieg“) lieferten, sondern sich durch Spionage, Sabotage und Propaganda gegenseitig mürbe machten.

Mittlerweile haben wir den kalten Krieg überwunden, aber in welchem Zustand ist unsere Welt nun? Von Frieden kann angesichts etlicher Konflikte mit globalen Auswirkungen nicht die Rede sein, offene Kriege zwischen Staaten herrschen aber ebenso wenig. Der amerikanische Autor David Rothkopf ist der Meinung, wie befänden uns derzeit in einem „Cool War“, in dem vor allem mit Cyberangriffen á la Stuxnet sowie mit Drohnen gekämpft wird. Als erster hatte Frederik Pohl den Begriff in seinem Science Fiction-Roman „The Cool War“ von 1981 verwendet: Das Buch erzählt davon, wie sich verschiedene Staaten wegen des Mangels an fossilen Brennstoffen mit Computer-Viren bekämpfen.

Krieg führen, ohne ihn zu erklären

Klingt erst mal ähnlich wie der kalte Krieg, in dem offene Schlachten ja auch vermieden wurden. Doch während Sowjetunion und USA im kalten Krieg noch daran arbeiteten, die eigene Stärke so weit auszubauen, um als potentielle Sieger in einen heißen Krieg eintreten zu können, soll genau dies im Cool War niemals geschehen: Der Cool War soll kühl bleiben. Die Kämpfe beschränken sich auf punktuelle Sabotage (durch Cyberattacken) und kleine Scharmützel und gezielte Tötungen (durch Drohnen). Ein Kriegsende ist dabei gar nicht eingeplant, stattdessen haben wir einen ständig vor sich hin köchelnden Dauerkriegszustand, wie es der von den USA ausgerufene „War On Terror“ seit Jahren demonstriert.

Die „Vorteile“ liegen auf der Hand: Man kann Krieg führen, ohne ihn erklären zu müssen und ohne dass die eigene Bevölkerung sich dessen bewusst ist. Zum anderen kann man sich auf einen Feind verlassen, der sich immer wieder reproduziert und de facto nie besiegt werden kann. Mit dem Verweis auf die ständig drohende Gefahr haben Regierungen es leicht, die Freiheitsrechte ihrer Bürger zu beschneiden (siehe Patriot Act). Und schließlich und endlich ist der Cool War für die Angegriffenen zu komplex, diffus und kleinteilig, um sich dagegen wirklich wehren zu können.

Die Zukunft der Kriegsführung ist kühl

Klassische Kriege zwischen Staaten sind heutzutage aus der Mode gekommen, nicht nur weil die meisten Länder international verbündet sind und miteinander kooperieren, sondern auch weil die Vergangenheit gezeigt hat, dass Kriege sich katastrophal auf die Wirtschaft auswirken. Der Cool War läuft jedoch unter dem Radar ab, greift nicht ganze Volkswirtschaften an, sondern beschränkt sich auf kostensparende Stichnadel-Aktionen. Man könnte also auch von einem „bellum oeconomicus“ sprechen.

Für mich persönlich war der Begriff Cool War überaus nützlich, um die paradoxe Situation unserer gegenwärtigen Weltlage zu verstehen: Irgendwie leben wir doch in Frieden, aber gleichzeitig gibt es internationale Konflikte, die seit Jahren auf kleiner Flamme vor sich hin lodern. „Cool War“ ermöglicht es, sich von der naiven Vorstellung „entweder herrscht Krieg oder Frieden“ zu lösen, und zu begreifen, dass selbst demokratische Staaten permanent Krieg führen – zumindest ein bisschen. Weiterhin kann der Begriff helfen, insbesondere die derzeitige Drohnenpolitik der USA in Worte zu fassen und zu kritisieren, die sich derzeit noch in rechtlichen Grauzonen abspielt. Somit kann der Begriff das Gefahrenpotenzial der Drohneneinsätze verdeutlichen und vor allem der dahinter liegenden Praxis einen Namen geben. Denn man kann nur etwas kritisieren, das man auch benennen kann.

2 Gedanken zu „Mehrsprech – „Cool War“

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