Warum wir die NPD brauchen, was Deutsche statt verbieten mal tun sollten und wieso eine Gesellschaft ihre Nazis verdient.
Ich hab da so ne Theorie: Nazis sind weniger gefährlich wenn man sie nicht verbietet. Kürzlich wurde ja wieder an einem neuen NPD-Verbot gebastelt. Am 19. März allerdings lehnte die FDP den Verbotsantrag ab: „Dummheit kann man nicht verbieten“, so Philip Rösler. Auch wenn ich ein heftiges Würgen unterdrücken muss, während ich das schreibe: Rösler hat im Prinzip Recht. Den Vorwurf der Verharmlosung muss er sich natürlich gefallen lassen, denn wenn Dummheit das einzig Gefährliche an den Rechten wäre, bräuchten wir sie nicht wirklich zu fürchten. Aber die Aussage stimmt in dem Sinne: Die Partei kann man verbieten, aber nicht das Problem.
Ich bin gegen ein Verbot der NPD, ja, ich glaube sogar, dass wir die NPD brauchen. Diese Partei muss weiterexistieren, da uns sonst das Gewissen einschläft. Die NPD ist ein stechender Splitter in unserer Haut, der uns täglich schmerzhaft vor Augen führt, dass Rechtsextremismus in Deutschland weiterhin lebendig ist. Und wir brauchen diesen Splitter, das ist die Hauptfunktion der NPD für die Demokratie. Rechtes Gedankengut (oder sollte ich sagen „Gedankenschlecht“? ^^) wird es leichter haben, sich unbewusst wieder in unseren Köpfen gemütlich zu machen, da man die Gefahr ja scheinbar zunichte gemacht – also verboten – hat.
Mach sie tot, dann ist alles gut
Es ist eine typisch deutsche Strategie, Dinge verbessern zu wollen, indem man sie verbietet. Sinnvoller wäre es, aktiv den positiven Zustand zu gestalten, den man erreichen will. Dazu gehört, die Zustände zu verändern, wegen denen Rechtextremismus überhaupt entsteht. Glücklicherweise ist diese Erkenntnis auch der Politik gekommen, weshalb das darbende Neonazi-Aussteigerprogramm „Exit“ künftig stärker gefördert werden soll. Antifaschismus beginnt bei Bildungs- und Sozialpolitik, nicht in der Justiz. Der Witz ist: Die Existenz der NPD könnte genau bei diesem Lernprozess helfen.
Als aktive Partei besitzt die NPD eine Exempelfunktion, auf die man mahnend weisen kann, als verbotene Partei hingegen werden sich die Rechten als Märtyrer und Opfer eines Systems darstellen, das ja gar nicht so liberal ist, wie es immer tut. Wie gesagt: Nach dem Verbot wird zwar die Partei nicht mehr da sein, deren ehemalige Mitglieder aber schon. Die gleichen Verdächtigen werden sich umgehend neu organisieren, kleinteiliger, unüberschaubar und schwer fassbar. Für die Öffentlichkeit wäre das Problem erst mal erledigt: Die Rechten sind nicht mehr sichtbar, also stören sie nicht mehr. Das Entscheidende ist jedoch, die Nazis beobachtbar zu halten: Wir müssen sie unter der Glasglocke der Öffentlichkeit am Leben erhalten, damit alle sie sehen und sich mit ihnen auseinandersetzen müssen.
Ich glaube nicht, das Rechtextremismus mit einem Handstreich beseitigt werden kann, ich glaube aber, dass er sich langsam „auswachsen“ kann, so wie ein Splitter aus der Haut auswächst, oder wie sich die gebückte Haltung des Urmenschen irgendwann zum aufrechten Gang entwickelte. An diesem Wachstumsprozess müssen wir arbeiten, nicht am Splitter. Es gibt schon einen Grund dafür, dass er da steckt.