Mehrsprech – „Mesoebene“

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Kurz-Definition: „Mesoebene“ benennt einen eigenständigen Bereich, der zwischen zwei Extremen liegt

Menschen neigen häufig dazu, in dualistischen Extremen zu denken: Gut/böse, hell/dunkel, wahr/falsch, usw. … Ein weiteres Begriffspaar dieser Art ist makro/mikro, bzw. Makroebene und Mikroebene, womit die Ebenen des sehr Großen und des sehr Kleinen gemeint sind. Ein Großteil unserer Wirklichkeit spielt sich jedoch nicht in Extremen ab, sondern in den Zwischenbereichen. Das, was zwischen Makro- und Mikroebene liegt, ist die Mesoebene (griech. „meso“ = „mittig“).

Der Begriff wird in der sogenannten Netzwerkforschung verwendet, welche vor allem soziale Interaktionen zwischen Menschen untersucht. Dabei wird zwischen drei Analyseebenen unterschieden: Auf der Mikroebene werden soziale Interaktionen zwischen einzelnen Menschen als Akteuren beschrieben (z.B. in Familien oder Cliquen). Auf der Mesoebene gelten nicht mehr die einzelnen Menschen als Akteure, sondern die Gruppen, die sie zusammen bilden; untersucht wird das Verhältnis von Gruppen untereinander innnerhalb einer größeren Organisation (z.B. Arbeitsgruppen in einem Unternehmen, Klassen in einer Schule oder Abteilungen in einer Behörde). Die Makroebene schließlich betrachtet Organisationen selbst als Akteure (z.B. Staaten und Unternehmen) und beschäftigt sich mit deren Interaktionen untereinander.

Natürlich muss man „Mesoebene“ nicht ausschließlich in diesem Sinne verwenden, es bietet vielmehr die Möglichkeit, allgemein den Bereich zu benennen und damit greifbar zu machen, der zwischen dem Großen und Kleinem bzw. zwischen Extremen liegt. Gefunden habe ich den Begriff in einem Essay über Architektur, in dem es um das  Verwischen der Grenzen zwischen Staaten (Makroebene), zwischen Stadt und Land (Mesoebene) und zwischen Privatem und Öffentlichem bezeichnete (Mikroebene). Ich fand ihn hilfreich, um mir darüber klar zu werden, dass ich viel zu oft in Gegensätzen wie Staat/Bürger oder Unternehmen/Konsument denke, ohne zu berücksichtigen, dass es ja noch eine Zwischenebene sozialer und politischer Gruppen gibt, über die die Einzelpersonen erst den Zugriff auf die großen Organisationen in der Makroebene erlangen.

Indem es Unsichtbares sichtbar macht, erfüllt das Wort „Mesoebene“ meine Definition von Mehrsprech: Es zeigt uns eine strukturelle Ebene, die wir zwar täglich wahrnehmen, die uns aber häufig gar nicht als solche bewusst ist – das vage „Dazwischen“ bekommt einen Namen. Und seitdem ich den Begriff kenne, neige ich gelegentlich dazu, Dinge in dialektischen Dreierstrukturen (These, Antithese, Synthese) zu ordnen und zu schauen, wo sich die Mesoebene zwischen zwei Extremen befindet: Die Mesoebene zwischen Stadt und Privatwohnung ist das Wohnhaus, die zwischen Stahl und Alufolie ist Blech, die zwischen einem offiziellen Brief und einem informellen Gespräch ist die E-Mail, zwischen CDU und Linkspartei sind die Grünen, …

Das muss natürlich nicht heißen, dass man die ganze Welt nun statt in zwei in drei Kategorien einteilen sollte, was ja ebenfalls recht einseitig wäre, aber durch den Rückgriff auf die Mesoebene können wir unsere Wirklichkeit in beliebig viele Abstufungen einteilen: Jedesmal, wenn man die Mesoebene zwischen zwei Extremen identifiziert hat, erklärt man einfach die Mesoebene zur neuen Makro- bzw. Mikroebene und schaut, wo zwischen dieser neuen Dualität die Mesoebene liegt…

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