Mehrsprech – „Advertorial“

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Kurz-Definition: Advertorials oder Adverticles sind Texte in Print- oder Online-Medien, die wie redaktionelle Artikel aussehen, in Wahrheit aber Werbeanzeigen sind

Dem einen oder anderen ist es sicherlich schon mal passiert: Man schlägt in einer Zeitschrift eine Seite auf, beginnt loszulesen – und stellt plötzlich fest, dass man gar keinen redaktionellen Text liest, sondern eine Werbeanzeige, die sich von der Aufmachung der richtigen Artikel kaum unterscheidet. Nach ein bisschen Suchen hat man den kleinen Vermerk „Anzeige“ in einer Ecke gefunden – manchmal aber auch nicht. Das sollte allerdings das Mindeste sein, denn man hat es mit einem „Advertorial“ zu tun.

Es handelt sich um ein Kofferwort aus „advertisement“ (Anzeige) und „editorial“ (Leitartikel), gelegentlich kursiert auch der Begriff „Adverticle“ („advertisment“ + „article“). Im Grunde sind Advertorials nichts anderes als Werbeanzeigen und müssen daher dementsprechend gekennzeichnet werden. Doch sie kommen im Gewand eines redaktionellen Artikels daher, der die Vorteile eines Produktes oder Unternehmens anpreist. Damit die Advertorials auch den richtigen, redaktionellen Klang bekommen, werden sie nicht selten von (freien) Journalisten statt von Werbeagenturen geschrieben (was nebenbei auch viel billiger für den Auftraggeber ist). Ich spreche aus Erfahrung, denn ich habe selbst schon mehrere Advertorials verfasst.

Sprachliche und inhaltliche Vermischung von Journalismus und PR

Das Advertorial ist ein Symptom für die stetige Vermischung von Journalismus und PR/Marketing, was eine gefährliche Entwicklung für den Anspruch einer möglichst objektiven Berichterstattung darstellt. „Advertorial“ klingt gewandt und seriös – es könnte glatt der Name einer weiteren journalistischen Form sein, so wie die Kolumne oder der Essay. Letztlich ist „Advertorial“ aber nur ein anderes, hübscheres Wort für „PR-Artikel“.

Auch wenn es eher ein Neusprech-Wort ist, das etwas verschleiert, habe ich das Advertorial dennoch bei Mehrsprech aufgenommen, da es für mich – genau wie bei anderen Mehrsprech-Wörtern auch – den Effekt hatte, dass ich plötzlich ein Wort für ein Phänomen besaß, dass mir schon oft aufgefallen ist, das bis dahin aber namenlos war.

Obwohl Advertorials bei Anzeigenkunden immer beliebter werden, ist ihre erhoffte Wirkung fraglich: Eine Media Analyzer-Studie aus dem Jahr 2009 mit dem Titel „Vergleich von Anzeigen und entsprechenden Advertorials“ ergab, dass normale Anzeigen im Vergleich zu Advertorials deutlicher in ihrer Botschaft seien, mehr Aufmerksamkeit erlangen, interessanter wirken und mehr Emotionen wecken. Allerdings ging diese Studie davon aus, dass man Advertorials auch als solche erkennt – ist dies nicht der Fall, dann könnte die vermeintliche Seriosität des Textes dessen mangelnde Knalligkeit locker wettmachen.

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