Indische Beobachtungen 7 – Journalismus, Paan und „Mein Kampf“

Indische Beobachtungen

Journalismus

Im Gegensatz zu Deutschland sieht man in Indien nur selten Leute Zeitung lesen. Insgesamt hat Journalismus hier kein so hohes Ansehen: Einige Inder erzählten mir, sie würden keine Zeitungen lesen und Nachrichten sehen, weil immer nur von negativen Dingen, Katastrophen und Verbrechen berichtet würde. Außerdem würden viele Journalisten von Politikern bezahlt, damit sie gute Artikel über sie schreiben.

Dies scheint leider zu stimmen, denn als ich einmal im Gespräch mit einem Inder sagte, dass ich Journalist bin, fragte er mich (ohne jede Ironie), für wen ich arbeite: „Regierung oder privat?“ Was für eine Frage! Ein Journalist, der für die Regierung arbeitet, ist in meinen Augen keiner, doch leider scheint dies in Indien durchaus üblich zu sein.

Einmal hatte ich ein sehr negatives Erlebnis in Verbindung mit den indischen Mainstream-Medien: Einen Tag nach den Bomben-Anschlägen in Paris habe ich zu Hause bei meinem Host eine indische Nachrichtensendung gesehen. Von der Aufmachung her erinnerte sie an CNN, war also sehr professionell gestaltet, aber auch sehr reißerisch. Es wurde ausführlich über die Anschläge berichtet – aber wie! Ich hab zwar kein Wort verstanden (alles auf Hindi), aber das war wohl ganz gut so, denn die Art der Berichterstattung war einfach nur widerwärtig: Bis zum Erbrechen wurden immer und immer wieder die sekundenlangen Video-Schnipsel vom Stadion gezeigt, und als wäre das Ereignis nicht schon schlimm genug, wurde dazu noch hochdramatische Musik wie aus einer schlechten Fernseh-Action-Serie bei Verfolgungsjagden dahinter gelegt. Das Videomaterial wurde dabei so geschnitten, dass es zusammen mit der Musik wie ein Kino-Action-Film wirkte. Absolut widerwärtig. Weiterlesen

Podcaster Porträt – Freakshow

Podcaster Porträt - Freakshow

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Mit diesem Comic findet meine Serie von Podcaster Porträts ihren vorläufigen Abschluss: Freakshow (ehemals „Mobile Macs“) gehört zu den meistgehörten deutschen Tech-Podcasts, und sogar ich höre ihn sehr gerne, obwohl ich mit Tech-Podcasts eigentlich nichts anfangen kann.

Tatsächlich wundere ich mich immer wieder, warum ich (als Apple-Nichtuser) Freakshow so gerne höre: Fünf bis sechs Nerds diskutieren bis zu fünf Stunden lang über Computer, IPhone-Features und Preise für Bitcoin-Pizzas und reißen Informatiker-Insider-Gags. Dennoch – die Chemie zwischen Tim, Denis, hukl, Roddi und Clemens ist brilliant, und es macht einfach nur Spaß, sich die Wortgefechte zwischen den fünf anzuhören, selbst wenn man inhaltlich nur Bahnhof versteht. Für mich hat Freakshow tatsächlich den Charakter des täglichen Frühstücksradios angenommen. PS: Der neue JIngle erreicht für mich zwar nicht die Klasse des alten aus Mobile Macs-Zeiten (einer der besten Podcast-Jingles überhaupt), dafür hat Freakshow derzeit den wohl schönsten Outro-Jingle hierzulande.

Es hat erstaunlich wenig Arbeit gekostet, die Gesichter zu zeichnen (auch wenn ich mit Clemens mangels Foto-Vorlagen nicht wirklich zufrieden bin). Am längsten hat definitiv Roddi gedauert, hukl und Denis hatte ich nach zwei Anläufen fertig. Wer findet all die rätselhaften Anspielungen, die Leonardo da Wenk in diesem Bild versteckt hat…?

Zwei Buchdeckel sagen mehr als hundert Alben?

Zwei Buchdeckel sagen mehr als hundert Alben

Warum der Begriff „Graphic Novel“ Comics nicht fördert, sondern ihnen schadet, wieso viele Kritiker dem „Graphic Novel“-Hype hinterherlaufen und welche Comics trotz ihrer erwachsenen Themen nicht als „Graphic Novels“ angesehen werden

Comics waren schon immer die Schmuddelkinder der Kultur: Während sich andere Kunstformen wie der Film oder die Jazz-Musik recht schnell von ihrem Image als trivialer und verderblicher Schund für ein anspruchloses Publikum befreien konnten, sind Comics bis heute einem gewissen naserümpfenden Dünkel von Seiten der Kulturwächter ausgesetzt. Auch die überfällige Adelung zur „neunten Kunst“ konnte daran wenig ändern – und dass Comics als „Graphic Novels“ bezeichnet werden, hat die Sache eher noch verschlechtert.

Dieser Begriff begegnet mir in den letzten Jahren ständig: Buchläden, die sonst gerade mal ein halbes Regal für Asterix + Mangas reserviert haben, haben plötzlich auch „Graphic Novels“ im Angebot – längere Comics im Form eines gebundenen Buches, die meist etwas komplexere und literarische Themen behandeln und sich tendenziell an ein erwachsenes Publikum richten, das nicht unbedingt mit Comics aufgewachsen ist.

Klingt eigentlich erst mal gut, und viele der üblicherweise als „Graphic Novels“ bezeichneten Comics (z.B. Persepolis, Ghost World, V wie Vendetta, Maus) zählen zu meinen Lieblings-Comics. Weiterlesen

Satire darf alles – aber was muss sie?

Satire darf alles - aber was muss sie

Warum Satire Anschläge nicht provoziert, sondern verhindert, warum wir zum Lachen verführt werden müssen und wann Satire Sinn macht und wann nicht.

Satire darf alles, ja, sie muss alles dürfen. Warum? Das zeigt ein aktuelles Beispiel aus Köln: Traditionell fahren beim Rosenmontags-Umzug Festwagen durch die Stadt, die mit ätzenden und satirischen Motiven Ereignisse der letzten Zeit kommentieren. So sollte auch ein Wagen mit Bezug auf die Anschläge auf die Redaktion des Pariser Satire-Magazins Charlie Hebdo Teil des Umzugs sein. Obwohl der Entwurf bereits im Internet abgestimmt worden war, entschied sich das Festkomitee etwa eine Woche vor Rosenmontag, den Wagen nicht fahren zu lassen. Begründung: Man sei zwar mit der Botschaft des Wagens einverstanden, wolle aber nicht „die Freiheit und leichte Art des Karnevals“ einschränken.

Dieser beschämende Fall von vorauseilender Feigheit ist aus gleich mehreren Gründen eine absolut unverständliche und gefährliche Entscheidung: Weiterlesen

Mehrsprech – „Meatspace“

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Kurz-Definition: Meatspace ist eine ironische Bezeichnung für den nicht-digitalen Alltag, mit dem bewusst die digitale Welt aufgewertet wird.

Hat euch schon mal jemand mit kritisch gelupfter Augenbraue gefragt, wie viel Zeit ihr so im Internet verbringt, und wie viel im „real life“? Falls ja, fragt die betreffende Person doch mal bei Gelegenheit, wie viel Zeit sie so im „Meatspace“ verbringt, und ob sie das nicht ein bisschen bedenklich findet, so lange offline zu sein? Weiterlesen

Tausend Nischen sind ein Grand Canyon

Tausend Nischen sind ein Grand Canyon

Warum wir uns derzeit in der dritten Welle des Podcastings befinden, wieso wir Anarchismus genauso brauchen wie Professionalität, und weshalb Podcasts es nicht nötig haben, zum Massenmedium zu mutieren

Ich höre und mache Podcasts seit langem, bin immer wieder erstaunt über die vielen Formate, die es zu entdecken gibt, und erfreue mich regelmäßig an ihrer Tiefe, ihren Spezialthemen, ihrem Unterhaltungs- und Informationswert. Eigentlich, so dachte ich, läuft alles gut im Podcast-Land.

Umso überraschter war ich, als ich vor zwei Wochen über einen Spiegel Online-Artikel stolperte, der ein erstaunlich negatives Bild der aktuellen Podcast-Szene in Deutschland zeichnte: „Alles bekommt im Internet seine 15 Minuten Ruhm – nur nicht Audio. Zehn Jahre nach der Erfindung stecken Podcasts in der Nische fest“ so die These von Ole Reißmann. Das liege unter anderem an der mangelnden Vielfalt, der Dominanz von männlich geprägten Technik-Podcasts, der Konkurrenz durch das Qualitäts-Programm der Öffentlich-Rechtlichten Sender und stundenlange Laber-Podcasts, die potenzielle Hörer abschrecke.

Man muss sich zunächst jedoch fragen, von welcher Vorstellung von Podcasts der Autor eigentlich ausgeht? Letztlich läuft es darauf hinaus, Podcasts mit Massenmedien zu vergleichen und im Fehlen eines großen Massenpublikums ein Defizit zu sehen. Weiterlesen

Podcaster-Porträt – Björn und Max (Märchenstunde)

Podcaster-Porträt - Björn und Max (Märchenstunde)

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Ich unterscheide bei Podcasts zwischen solchen, bei denen es um Informationsvermittlung geht, und solchen, die vor allem unterhaltsam sind. Die Märchenstunde gehört eher zu letzterer Kategorie (aber natürlich erfüllen die meisten meiner Lieblingspodcast beide Funktionen).

Max von Webel und Björn Grau lesen nicht nur einfach Märchen vor – tatsächlich macht das nicht selten den kleinsten Teil der Sendezeit aus – sondern wagen zum Teil sehr unorthodoxe, lustige und spannende Interpretationen bekannter und unbekannter Märchen der Gebrüder Grimm. Auch wenn ich beim Hören manchmal genau das denke, was Hexe, Wolf und Co. in meinem Comic so lautstark fordern, hat mir die Märchenstunde so manche öde Auto-Fahrt schon sehr versüßt.

Podcaster Porträt – Breitenbach und Dr. Köbel (Soziopod)

Podcaster-Porträt-Soziopod

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Der Soziopod hat einen etwas irreführenden Titel, denn auch wenn Soziologie ein elementarer Bezugspunkt für den Pädagogen Nils Köbel und den Digitalero Patrick Breitenbach darstellt, bezeichne ich den Soziopod konsequent als meinen Lieblings-Philosophie-Podcast. Der Soziopod ist mal wieder ein hervorragendes Beispiel dafür, dass Podcast hervorragend dafür geeignet sind, hochkomplexe und abstrakte Themen wie Konstruktivismus, Subjekt-Begriff oder Kritische Theorie gut verständlich und spannend rüberzubringen. Vor allem Köbel merkt man an, dass er ein verdammt guter Pädagoge ist, und seine Vorlesungen müssen wirklich lohnend sein.

Soziopod ist bislang der einzige Podcast, der einen Grimme-Online-Award bekommen hat (warum CRE, Alternativlos, Staatsbürgerkunde und Hoaxilla noch keinen haben, weiß nur das Spaghetti-Monster…).

Mehrsprech – „Major Consensus Narrative“

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Kurz-Definition: Der Major Consensus Narrative ist das, was die Mehrheit der Gesellschaft für die Wahrheit über Ereignisse, Personen oder Sachverhalte hält – nicht immer übereinstimmend mit dem, was wirklich passiert ist

Eskimos haben 100 Wörter für Schnee, Ärzte schwören auf den hippokratischen Eid, Hexenverfolgungen waren ein Phänomen des Mittelalters – drei Ansichten, die in der Mehrheit der Bevölkerung weit verbreitet sind. Dass sie nicht stimmen, ist nicht so wichtig, denn dafür sind es einfach zu gute Geschichten, die hervorragend in unser Weltbild passen. Alle drei Geschichten sind Beispiele für den „Major Consensus Narrative“ (MCN), also der Narrativ bzw. die Geschichten, über die in der Mehrheit einer Gesellschaft Konsens darüber herrscht, dass sie wahr sind. Weiterlesen

Mehrsprech – „Advertorial“

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Kurz-Definition: Advertorials oder Adverticles sind Texte in Print- oder Online-Medien, die wie redaktionelle Artikel aussehen, in Wahrheit aber Werbeanzeigen sind

Dem einen oder anderen ist es sicherlich schon mal passiert: Man schlägt in einer Zeitschrift eine Seite auf, beginnt loszulesen – und stellt plötzlich fest, dass man gar keinen redaktionellen Text liest, sondern eine Werbeanzeige, die sich von der Aufmachung der richtigen Artikel kaum unterscheidet. Nach ein bisschen Suchen hat man den kleinen Vermerk „Anzeige“ in einer Ecke gefunden – manchmal aber auch nicht. Das sollte allerdings das Mindeste sein, denn man hat es mit einem „Advertorial“ zu tun. Weiterlesen