Regularize it!

Regularize it

Warum Drogenverbote nicht funktionieren, wieso Legalisierung immer auch Regulierung heißen muss, warum eine liberale Drogenpolitik strenger wäre, als die jetzige, und weshalb wir den Umgang mit Drogen neu erlernen müssten

Diskussionen über die Legalisierung von Drogen sind von einer gewissen Fantasielosigkeit geprägt: Allgemein scheint die Vorstellung zu herrschen, dass sich beispielsweise nach der Legalisierung von Cannabis Hinz und Kunz am Kiosk ihre Familienpackung Gras kaufen können und alle nur noch in der Ecke sitzen und sich die Birne wegkiffen – nee, dann doch lieber verbieten!

Irgendwie können sich viele Menschen nur diese zwei Szenarien vorstellen – totales Verbot oder totale Legalität (= Zusammenbruch der Gesellschaft). Warum wird nie an den Zwischenschritt der Regulierung gedacht?

Gerade was Cannabis angeht, kommt die Debatte aber langsam in Bewegung: Bei Politik und Medien setzt sich immer stärker die Erkenntnis durch, dass die Kriminalisierung von Cannabis nicht nur unsinnig sondern auch schädlich ist und mit der gleichzeitigen Legalität von Alkohol und Tabak kaum zu vereinbaren ist. Der Entwurf der Grünen für ein Cannabis-Kontrollgesetz geht genau in die richtige Richtung, wie man schon am Namen sehen kann: Ziel ist nicht die schrankenlose Verbreitung sondern eine kontrollierte Abgabe mit klaren Regeln.

Drogenverbote töten

Aber warum sollten Drogen (zumindest die gängigen) eigentlich legalisiert und reguliert werden? Zunächst einmal, weil die Verbote ihren Zweck nicht erfüllen: Obwohl Cannabis, LSD, Kokain & Co. allesamt verboten sind, werden sie doch alltäglich konsumiert und sind in der Regel auch leicht zu bekommen. Allerdings haben Konsumenten aufgrund des völlig unkontrollierten Schwarzmarktes meist keinerlei Informationen über Reinheit und Wirkstoffgehalt der von ihnen erworbenen Substanzen – dies führt zu lebensgefährlichen Nebenwirkungen durch giftige Streckstoffe und zu tödlichen Überdosierungen.

Drogenverbote sind mitverantwortlich für sogenannte „Drogentote“ (ein irreführender Begriff, da die meisten frühzeitig verstorbenen Konsumenten nicht an der Droge selbst sterben, sondern an den durch die Kriminalisierung verursachten Begleitumständen).

Zum anderen stellt Drogenkonsum nur eine Selbstschädigung dar, dennoch werden Konsumenten zum Teil verfolgt und bestraft wie Schwerverbrecher. Diese Kriminalisierung generiert nachweislich mehr Schaden als Nutzen: Manchen Menschen wird der komplette Lebensweg verbaut, nur weil sie einmal mit einem Joint erwischt wurden. Auf der anderen Seite überlässt man den Drogenhandel komplett der kriminellen Unterwelt: Welche Ausmaße dies erreicht, zeigt der Drogenkrieg in Mexiko, der schon über 180 000 Todesopfer gefordert hat.

Kann das die Lösung sein ...? Quelle

Kann das die Lösung sein …?                                                                                                     Quelle

Rausch ist nicht alles

Durch eine Legalisierung und Regulierung hingegen könnte der Handel mit Drogen staatlich kontrolliert werden: Der Staat würde Millionen von Steuern einnehmen und die Konsumenten würden Substanzen bekommen, von denen sie genau wissen, was sich in ihnen befindet und wie sie dosiert werden müssen. Nutz-Hanf könnte endlich wirtschaftlich genutzt werden (hier ein paar Beispiele für die zahllosen Verwendungsmöglichkeiten von Hanf) und Drogen könnten auch therapeutisch Anwendung finden: Seit langem ist Cannabis als wirksame Medizin für Schmerzpatienten bekannt, MDMA bietet Potentiale zur Therapie bei posttraumatischen Belastungsstörungen, LSD zur Behandlung von Depressionen und Suchterkrankungen.

Ich könnte noch weitere Argumente für die Legalisierung und Regulierung von Drogen aufzählen, doch ich verweise stattdessen zur weiteren Vertiefung auf diese zwei sehr sehenswerten arte-Dokus: „Amerikas längster Krieg“ und „Drogen kann man nicht erschießen“. Es reicht langfristig gesehen auch nicht, nur beim Cannabis stehen zu bleiben: Wer beginnt, sich mit den Problemen des Cannabis-Verbotes auseinanderzusetzen, erkennt schnell, dass sich die meisten Argumente letztlich auf alle gängigen illegalen Drogen übertragen lassen.

Respekt für Substanzen und sich selbst

Trotz aller Argumente, die ich gerade genannt habe, kann ich den Konsum von Drogen im Allgemeinen nicht empfehlen – man sollte die Finger davon lassen. Nicht, weil Drogen böse sind, sondern weil die meisten Menschen schlicht nicht mit Drogen umgehen können. Aber Menschen konsumieren sie nun mal trotzdem, also sollen sie es wenigstens richtig tun, ohne dabei ihre Gesundheit oder ihr Leben aufs Spiel zu setzen.

Der erste Gedanke, der bei einem Nachdenken über das Thema Drogen stehen sollte, lautet für mich: Drogen sind etwas Besonderes. Sie tun unglaubliche Dinge im menschlichen Geist und Körper und sollten daher mit dem gebührenden Respekt, Vorsicht und Wertschätzung behandelt werden.

Leider werden Drogen aber oftmals konsumiert, als wären es alltägliche Lebensmittel: Am deutlichsten zeigt sich dies beim Alkohol, dessen Konsum auf gefährliche Weise gesellschaftlich anerkannt ist. Alkohol wird von vielen Menschen derart gewohnheitsmäßig konsumiert, dass die Grenze zur Sucht sehr leicht zu überschreiten ist. Aber auch derzeit illegale Substanzen wie Cannabis oder Ecstasy werden von vielen Menschen zu exzessiv und mit zu großer Regelmäßigkeit konsumiert.

Oktoberfest - ganz normaler Konsum? Quelle

Oktoberfest – ganz normaler Konsum?                                                                                     Quelle

Dabei haben illegale und legale Drogen eines gemeinsam: Niemand bringt einem den Umgang damit bei. Warum dürfen Jugendliche an ihrem 16. Geburtstag einfach in einen Supermarkt gehen und sich einen Kasten Bier kaufen, ohne auch nur irgendetwas über die Wirkungsweise dieser Droge und die individuelle Dosierung zu wissen? Dies zu Erlernen, muss ein Ziel der Legalisierung und Regulierung von Drogen sein.

Wie regulieren?

Legalisierung und Regulierung besteht für mich aus folgenden Punkten:

  • Prävention und Aufklärung über Wirkweise und Risiken von Drogen
  • kontrollierte/r Anbau/Herstellung nach übergreifenden Standards
  • kontrollierter Verkauf über zertifizierte Fachgeschäfte/Apotheken
  • kein Verkauf an Jugendliche
  • keine Werbung
  • Beratungs- und Therapieangebote für Suchtkranke und deren Angehörige

Dies alles gilt auch für legale Drogen wie Alkohol und Tabak (die nebenbei mit Abstand für die meisten „Drogentoten“ verantwortlich sind): Beides sollte nicht mehr in normalen Supermärkten oder Kiosken verkauft werden dürfen, sondern nur in Fachgeschäften mit geschultem Personal. Es sollte keinerlei Werbung für Alkohol oder Tabak mehr geben und auch kein Bier-Sponsoring für Sportveranstaltungen und Ähnliches.

Alkohol und Tabak zeigen, wie Legalisierung nicht aussehen sollte: Permanente Verfügbarkeit, Verherrlichung durch Werbung, unreflektierte Kommerzialisierung. Mit dem Verkauf von Drogen werden Gewinne gemacht, aber ein Teil dieser Gewinne muss unbedingt in Aufklärung, Prävention, Schulung, Beratungs- und Therapieangebote fließen.

Es reicht nebenbei nicht, einfach nur eine Droge zu konsumieren, um abhängig zu werden: Wer ein unsicheres oder gar kein soziales Umfeld hat und psychische Probleme hat, ist definitiv anfälliger für eine Sucht als jemand, der auf den dies nicht zutrifft. Daher sollte das Geld aus dem Drogenhandel auch in soziale Projekte gesteckt werden.

Drogenschein Klasse B

Ein weiterer Punkt ist die Klassifizierung von Drogen: Natürlich gibt es Substanzen, die ein größeres Gefahrenpotential bergen, als andere. Um dieses zu kennen, müssen vor einer Legalisierung und Regulierung umfassende wissenschaftliche Untersuchungen zu den betreffenden Substanzen stehen. Drogen wie Heroin haben ein höheres Abhängigkeitsrisiko als zum Beispiel Cannabis. Je nach Gefahrenpotential sollten Substanzen daher stärker reguliert werden; zum Beispiel könnte man überlegen, ob Heroin nur mit ärztlichem Rezept in Apotheken erworben werden kann. Hier ein Beispiel für eine Klassifizierung von Drogen nach Gefahrenpotential nach David Nutt.

Man könnte noch einen Schritt weitergehen, und ähnlich wie beim Führerschein einen Drogenschein einführen: Mit seinem Erwerb würde eine umfassende Aufklärung über Wirkweise, Safer Use und Risiken von Drogenkonsum einhergehen. Ähnlich wie beim Führerschein könnte es verschiedene Stufen geben: So wie man einen extra Führerschein für das Führen von LKWs machen muss, müsste man einen extra Drogenschein für das Erwerben von LSD machen.

Man sieht, dass eine solche Legalisierung und Regulierung weit entfernt ist von den klischeehaften Vorstellungen über ungezügelte Legalisierung. Meiner Meinung nach sollten in allen Diskussionen um die Legalisierung von Drogen stets Legalisierung und Regulierung gemeinsam genannt werden. Eine solche Drogenpolitik würde in gewissem Sinne viel strenger sein als die derzeitige, die im Wesentlichen aus selbstgerechtem Wegschauen besteht – liberal, aber strikt, statt paternalistisch und ignorant.

3 Gedanken zu „Regularize it!

  1. Pingback: Mehrsprech – „Substanzismus“ | Elfenbeinbungalow

  2. Sehr weitsichtiger Artikel. Leider wird sich bei unserer politischen Obrigkeit in den nächsten Jahren wenig bis gar nichts ändern. Aber besonders gelungen finde ich den Drogenschein bzw. Drogenführerschein. Dieses Kunstwort wäre glatt ein Kandidat für kunst-worte.de

  3. Ein Drogenführerschein für LSD. Das ist so schräg, dass es fast schon plausibel klingt. Ganz wichtig ist während des Trips ein halbes Kilo Zucker zu fressen und stets einen Tripsitter wie Timothy Leary im Ohr zu haben. Der einen gut zuredet und aus allen Verstrickungen wieder heraus führt. Aber mal ernsthaft, eine Droge wie LSD ist doch eh nur was für einen minimalen Bruchteil der Bevölkerung. Wo die Mehrheit nicht mal den eigenen Nachnamen richtig buchstabieren kann und der Rest sich freut, wenn er am Wochenende wieder bis Kotzen saufen kann. :-D

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