Arbeitsverweigerung als Design – Vom Niedergang der Science Fiction-Illustration

Arbeitsverweigerung als Design

Warum heutige Buch-Cover mir selbst gute Science Fiction vergällen, welche Cover man kaum noch voneinander unterscheiden kann und warum viele gegenwärtige Illustrationen die Zukunft zu einem langweiligen Ort machen

Ich war vor ein paar Tagen bei einer kleinen Veranstaltung in meiner Leib- und Magen-Buchhandlung, dem Otherland in Berlin: Hier fand am Freitagabend ein sehr interessantes und nostalgisches Gespräch zwischen den deutschen Science Fiction-Legenden Werner Fuchs und Hardy Kettlitz statt.

Als einige alte Bücher und Magazine unter den rund 30 Anwesenden herumgereicht wurden, war es unvermeidlich, deren phantasiereiche Cover zu bewundern, gegen die uns viele der heutigen Buch-Cover im SF- und Fantasy-Bereich ziemlich einfalls- und lieblos vorkamen.

Ein Besucher erzählte von einer frühen deutschen Ausgabe von „Das Lied und Eis und Feuer“ von George R. R. Martin, die mit einem hässlichen grünlichen Cover daherkam. Er fand es so schlecht, dass er keine Lust hatte, die Bücher zu kaufen. Erst einige Zeit später, als es ihm immer öfter empfohlen wurde, hat er sich überwunden und war vom Inhalt begeistert. Er hätte also durch ein schlechtes Buchcover beinahe eines der größten Ereignisse der modernen Fantasy-Literatur verpasst.

Eine Flut nichtsagender Klischees

Leider fällt mir gerade im Bereich Science Fiction seit Jahren die an Arbeitsverweigerung grenzende Gestaltung von Buch-Covern auf (selbst bei Klassikern von großen Autoren): Eine monotone Flut beliebig austauschbarer Klischee-Motive von computergenerierten Planeten und Raumschiffen, die mit äußerster Lieblosigkeit mit Photoshop zusammengeschoben wurden. Diese manchmal kaum unterscheidbaren Motive zeichnen sich zusätzlich durch eine extreme Detailarmut aus, was sie noch nichtssagender macht.

Hier ein paar Beispiele (alle von Heyne – ist vielleicht etwas unfair, aber das ist nun mal der größte Publikumsverlag für Science Fiction in Deutschland): Man vergleiche einmal die Cover folgender sechs Bücher miteinander, die von völlig unterschiedlichen Autoren stammen: „Der Orden“ von Stephen Baxter, „Artefakt“ von Gregory Benford, „Menschen wie Götter“ von Sergei Snegow, „Erdlicht“ von Arthur C. Clarke, „Jenseits der Erde“ von Even Currie und „Mondspuren“ von Robert A. Heinlein – da muss man schon zweimal hinschauen, um zu erkennen, dass es sich hier um verschiedene Bücher handelt. Es gibt etliche weitere Beispiele, fast sämtliche Heyne-Titel von Alastair Reynolds, Arthur C. Clarke oder Greg Bear sind ein Zeugnis dafür.

Sense of Wonder ohne Worte

Aber entscheidend ist doch der Inhalt, könnte man jetzt sagen, also warum rege ich mich so auf? Buchcover (und Plattencover) haben eine enorm suggestive Wirkung auf mich: Wie oft habe ich schon ein Buch oder eine CD/LP in die Hand genommen und vielleicht sogar gekauft, schlicht, weil mir das Cover so gut gefallen hat? Cover und Inhalt treten in eine Wechselwirkung zueinander, befruchten sich gegenseitig, und ein gutes Cover kann mich schon mal mit einem mittelmäßigem Buch oder Album versöhnen. Ein schlechtes, peinliches oder unansehnliches Cover hingegen kann mir die Lust an der Sache schnell vergällen – ein Buch/Album mit so einem blöden Cover kann einfach nicht gut sein!

Illustrationen im Allgemeinen und Cover-Illustrationen von Büchern und Magazinen im Besonderen spielen eine enorm wichtige Rolle in der Science Fiction: Vor allem von den 30er bis 60er Jahren (als auch SF-Filme bei weitem nicht so spektakulär aussahen wie später Star Wars und Co.) kam den Illustratoren die Aufgabe zu, die phantastischen Visionen der SF-Autoren irgendwie in Bilder zu gießen. Denn auch wenn das, was die Autoren schrieben, höchst faszinierend war, ihre Worte allein konnten uns nie eine solche Vorstellung von der Zukunft geben, wie es ein Bild vermochte.

Damit haben Illustratoren die moderne Science Fiction und unser Bild von ihr nicht nur miterschaffen, sondern uns ein ein viel direkteres Gefühl vom Sense of Wonder der Science Fiction gegeben – intuitiv, mit einem Blick aufs Cover, auch ohne die jeweiligen Bücher gelesen zu haben.

Bilder von gestern taugen nichts für Gedanken von morgen

Ein hervorragendes Beispiel dafür ist Richard M. Powers, dessen surrealistische Bilderwelten weniger technoide Zukunftsvisionen transportierten, sondern eher ein Gefühl für die Möglichkeiten und das Wunderbare der Science Fiction selbst. Ein anderer großartiger Illustrator ist John Berkey, der mit seinen gleißenden Sternenschiffen stets haarscharf zwischen Realismus und psychedelischem Impressionismus balancierte (beide Künstler habe ich ausgiebig auf meinem Blog „Phantastische Illustrationen“ vorgestellt). Illustrationen wie diese lassen mich von der Zukunft träumen, sie machen mir Lust auf die Zukunft – die Cover heutiger Publikationen tun dies so gut wie nie. Sie lassen die Zukunft zu einem verkrusteten Klischee erstarren.

Man könnte sogar so weit gehen zu sagen, dass die Lieblosigkeit der gegenwärtigen Cover-Illustrationen Mitschuld daran ist, dass die SF heute kein so populäres Genre mehr ist wie noch vor 30 oder 40 Jahren. Denn all diese nichtssagenden Klischee-Motive zementieren eine dröge, beschränkte Vorstellung von Science Fiction, die dem Publikum das Gefühl gibt, die SF habe sich seit den Tagen der Space Opera nicht weiterentwickelt.

Shit sells?

An dem besagten Abend gab es jedoch durchaus Widerspruch gegen unsere Klage über den Zustand der Cover-Kultur: Der von mir sehr geschätzte Hannes Riffel – Übersetzer und Mitgründer des Golkonda-Verlages – argumentierte, dass es aus Verleger-Sicht nur nachvollziehbar sei, die Bücher so zu becovern, wie es derzeit getan wird, weil dann zum einen mehr Bücher verkauft werden und zum anderen meist kein Geld für aufwändigere Cover da sei (nebenbei: Die Cover der Golkonda-Publikationen sind um Welten besser als die oben genannten Beispiele, und Riffel schien selbst über die meisten modernen Cover in Deutschland nicht besonders glücklich zu sein).

Eine Argumentation, die ich nur teilweise nachvollziehen kann: Mag sein, dass ein Massenpublikum sich nach vertrauten Motiven richtet, durch die man Bücher schnell in Genre-Schubladen stecken kann – meinetwegen, aber selbst wenn man nur Klischee-Motive abdruckt, könnten diese doch trotzdem ein wenig liebevoller gestaltet sein? Auf vielen alten SF-Büchern und Magazinen waren ja meist auch nur irgendwelche Raumschiffe und Außerirdische drauf, trashig zwar, aber dennoch lebendig und aufwändig in Szene gesetzt.

Ähnliches gilt für das Kosten-Argument: Die Pulp-Hefte waren auch billige Massenware, und trotzdem hat man sich gute Illustrationen geleistet, denn sie waren ja das wichtigste Werbeinstrument, dass die Magazine besaßen. Spektakuläres Cover = mehr Aufmerksamkeit am Kiosk = mehr verkaufte Exemplare. Ich verstehe einfach nicht, warum der Buchmarkt so funktioniert, dass Bücher mit einem beschissenen Cover sich besser verkaufen als welche mit einem schönen??

Dann lasst es doch einfach

Und wieso scheint dies bei den Jugendbüchern anders zu laufen? In der Diskussion wurde lobend hervorgehoben, dass Kinder- und Jugendbücher in den letzten Jahren sehr gute Cover hatten. In diesem Bereich scheinen schön gestaltete Bücher kein Verkaufshemmnis zu sein – haben Kinder und Jugendliche vielleicht einen besseren Geschmack als Erwachsene? Kein Wunder, dass immer mehr Erwachsene plötzlich Jugendbücher lesen…

Ich für meinen Teil würde jedenfalls angesichts der Design-Verbrechen, die mich so oft aus dem SF-Regal der Buchhandlungen anstarren, oft lieber gar keiner Motive mehr auf den Covern haben – dann lieber einfarbig und ein bisschen Typo. Allemal besser als der tausendste blau leuchtende Planet, den man man als Leser auf gar keinen Fall besuchen möchte.

5 Gedanken zu „Arbeitsverweigerung als Design – Vom Niedergang der Science Fiction-Illustration

  1. Im Prinzip stimme ich dir zu. Vergleicht man die Cover von Golkonda oder die tollen Tiptree-Ausgaben von Septime mit den generisch-lieblosen Sachen von Heyne und Co., liegen da doch Welten dazwischen.
    Fairerweise muss man sagen, dass es sich bei den sechs Beispielen oben um reine E-Bookwiederauflagen aus dem Backkatalog handelt, von denen ja teilweise 300 am Stück veröffentlicht wurden. Dass da nicht jedes Cover einzigartig sein kann, wohl klar.

  2. Beim Lesen des Textes kam mir relativ schnell der Gedanke: ein Verlag muss wirtschaftlich denken und handeln. Die Art der Grafiken, die Du ansprichst, lassen sich nun einmal schneller – wirtschaftlicher – herstellen. Was Hannes Riffel sagt, ist ja berechtigt.

    Als Leser – Fan – ist man nun einmal in der vorteilhaften Situation, sich über den eigenen Kauf hinaus keine Gedanken über den Absatz eines Titels machen zu müssen. Ein Unternehmen aber, und nichts anderes ist ein Verlag, kann nicht nur nach einzelnen Käufern schielen, es muss stets die „Masse“ im Blick haben.

    Die Produktionskosten sind aber nur ein Aspekt. Beklagenswerter ist auf jeden Fall der mangelnde Mut der Verlage, etwas Neues zu probieren. Denn eins ist auch klar: die Macht, einen gewissen Stil, mithin eine gewisse Ästhetik zu etablieren: die haben eben nur die Produzenten (Verlage). Wie sich so ein Verhältnis gegenseitig hochschaukeln kann, zeigt das Beispiel Frank Frazetta (1928 – 2010). Frazetta lieferte einige seiner besten Arbeiten im Auftrag für Ballantine Books – diese wiederum verkauften sich durch seine Illustrationen/Gemälde sehr gut.

    Frazetta ist auch ein Beispiel dafür, wie ästhetisch befriedigend sich eine langjährige „Ehe“ zwischen Verlag und Illustrator/Designer gestalten kann. Ein einmaliges Beispiel stellte in Deutschland bzw. der Schweiz das Verhältnis dtv Verlag und Celestino Piatti (1922 – 2007) dar. In rund 40 Jahren hat Piatti nicht nur tausende Umschläge für dtv illustriert, sondern auch Werbeanzeigen, Plakate etc. gestaltet.

    Einer meiner erklärten Lieblinge ist übrigens Eyke Volkmer, der 160 Goldmann Weltraum TB bebildert hat! http://weltraumtaschenbuch.de/books/001.html

    Erik, wenn Du den Buchmarkt nach Deinem Gusto haben möchtest, musst Du selber tätig werden. Ich bin sicher, dabei kämen sehr schöne Titel heraus. Ich habe da auch schon eine Idee für ein Artbook eines legendären Illustrators aus dem Bereich SF und Phantastik. Dazu mehr in einer persönlichen Mail.

    • Danke für die Hinweise auf die besagten Illustratoren, muss ich gleich auschecken!

      Wie gesagt: Dass sich Verlage an die Masse richten, finde ich auch nachvollziehbar, aber das haben die großartig illustrierten Pulphefte von früher ja schließlich auch. Wie du richtig sagst, ist es eher der mangelnde verlegerische Mut.

      Ich selber könnte schon Cover Illustrieren, allerdings kennst du ja meinen Zeichenstil ;) ob das bei den SF-Fans so gut ankommen würde?

      Gibt es eigentlich irgendwelche Bücher und Bildbände, die sich nur mit SF-Illustration beschäftigen?

  3. Habe letztens einmal die Cover der neuen Genre-Titel in den Bücherläden angeschaut. Erik hat einen dominierenden Gestaltungs-Trend erkannt. Teilansichten von Sternen und Planeten. Oft durch Bildbearbeitungsprogramme mit einem Weichzeichnungs-Filter, Helligkeitsverstärker oder Negativ-Maske versehene Motive. Als ob die Verlage die Leser bei der Hand nehmen möchten um Ihnen zu erläutern: „Wenn Astronomische Objekte auf dem Titelbild dargestellt sind, ist es ein SF-Roman; oder ein Astronomie-Fachbuch.“ Leider hat VPM dem Marlon-Verlag erlaubt einen sehr enttäuschenden Bildband zu publizieren. Die Coverabbildungen sind meist nur vergrößerte Scans einiger Jubiläumsbände, die noch über die Bindungsfalzung als zweiseitiger Spread gedruckt wurden. Dadurch wird die Bildmitte durch die Bindung quasi „verschluckt“. Da wären ausfaltbare Seiten die bessere Option. Die meisten Darstellungen erreichen gerade mal Thumbnail-Größe. Oft sind auf einer Seite mehrere verschiedenformatige Scans der Romanhefte und Taschenbücher abgedruckt. Den Text las ich rasch selektiv durch. Eine Fleißarbeit in Sachen Nachweis von Brucks Inspirationen und Vorlagen. Leider gibt es kaum oder sogar gar keine Reproduktion von Originalen. Die dpi-Auflösung der Reproduktionen variiert sehr stark. Sehr viele unscharfe und grobe Abbildungen. Herr Gerigk hatte Unterstützung durch den Verlag und die Familie Bruck. Vielleicht sind die meisten Originale aus dem Verlagsarchiv verschunden oder sogar fortgeworfen worden, so daß keine Vorlagen mehr zur Verfügung standen. Falls das im Text erwähnt wird, fiel es mir nicht auf. Die Papierqualität ist auch recht merkwürdig. Wirkt haptisch und visuell wie billiges Pseudo-Hochglanz-Papier. Dies nur als Hinweis, wie man dem Künstler Bruck und seinem Werk visuell gar nicht gerecht wird. Zitat Amazon-Rezension: Ich erwarb das Buch und las es gerade einmal zu 2/3 (eines der ganz wenigen Bücher, die ich nicht zu Ende las). Denn statt der erwarteten schönsten PR-Titelbilder aller Zeiten, werden nur die Bilder der ersten 100 Romane großformatig abgedruckt, dazu noch in miserabler Qualität. Briefmarkengroß finden sich weitere Bilder von Bruck und anderen, aus PR und anderen Serien.“
    Abgesehen von diesem Beispiel habe ich aktuell online keine Coffee-table-books über SF-Art gefunden. http://www.google.de/imgres?imgurl=http://2.bp.blogspot.com/-sjlhfIwgcCs/THUexrJoWAI/AAAAAAAAFXw/GSS9-mLzBMM/s1600/01%2BTHE%2BVISUAL%2BENCYCLOPEDIA%2BOF%2BSF%2BCOVER%2BBY%2BTIM%2BWHITE.jpg&imgrefurl=http://ski-ffy.blogspot.com/2010/08/visual-encyclopedia-of-science-fiction.html&h=1600&w=1175&tbnid=8DhhfmRhJuPSxM:&zoom=1&tbnh=90&tbnw=66&usg=__32gk4td5hTX-rGIOfxvwBEyCEcU=&docid=Yy_0geD8qpHcwM

  4. Dass damals so viele SF-Umschläge von mir in Umlauf kamen, lag dankenswertweise an Herrn Wilhelm Goldmann der mich ermunterte: °Herr Kunstmalereibesitzer auch wenn’s im Weltraum nicht so aussieht, mache Sie weiter so!“.
    Herr Goldmann wollte keine grünen Männchen. Es sollte abstrakter sein.

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