Highliteratur – Klassische Drogenbücher (Teil 2)

„Fear And Loathing In Las Vegas“ (Hunter S. Thompson), „Junkie. Bekenntnisse eines unbekehrten Rauschgiftsüchtigen“ (William S. Burroughs), „LSD, mein Sorgenkind“ (Albert Hofmann)

Es hat ein wenig gedauert mit dem zweiten Teil von „Highliteratur“, in der ich klassische Texte zum Thema Drogen näher beleuchte, aber dafür sind die Besprechungen diesmal auch ein wenig ausführlicher geworden. Wie zuvor habe ich versucht, möglichst verschiedene Bücher aus verschiedenen Zeiten und zu verschiedenen Drogen auszuwählen.

Hunter S. Thompson „Fear And Loathing In Las Vegas“ (1971)

„Wir waren irgendwo bei Barstow am Rande der Wüste, als die Drogen zu wirken begannen. Ich weiß noch, dass ich so was sagte wie: ‚Mir hebt sich die Schädeldecke; vielleicht solltest du fahren…’ Und plötzlich war ein schreckliches Getöse um uns herum, und der Himmel war voller Viecher, die aussahen wie riesige Fledermäuse, und sie alle stürzten herab auf uns, kreischend, wie ein Kamikaze-Angriff auf den Wagen, der mit hundert Meilen Geschwindigkeit und heruntergelassenem Verdeck nach Las Vegas fuhr. Und eine Stimme schrie: ‚Heiliger Jesus! Was sind das für gottverdammte Biester?’“ (Zweitausendeins 1996, S. 11)

Mit diesen Worten beginnt das vielleicht berühmteste Drogenbuch der Welt: „Fear And Loathing In Las Vegas, A Savage Journey To The Heart Of The American Dream“, so der volle Titel des Kultromans vom Hunter S. Thompson, der 1998 kongenial von Terry Gilliam verfilmt wurde.

Worum geht’s? Das Buch spielt Anfang der 70er Jahre: Die USA werden von Richard Nixon regiert, Jimi Hendrix und Janis Joplin sind tot, Woodstock ist längst Geschichte, in Ohio wurden vier Studierende erschossen, die gegen den Vietnam-Krieg demonstriert haben.

Sportjournalist Raoul Duke und sein Anwalt Dr. Gonzo werden nach Las Vegas geschickt, um dort über das Mint 400-Motorrad-Rennen sowie einen Polizeikongress über Drogen zu berichten. Beides wird schnell zur Nebensache, viel wichtiger für die beiden auf Krawall gebürsteten Chaoten ist es, ununterbrochen Drogen zu konsumieren, egal ob Meskalin, Kokain, Alkohol, LSD, Gras, Poppers oder Äther – nur keinen Moment der Klarheit zustande kommen lassen zwischen den sich überlagernden Rauschzuständen. Weiterlesen

Highliteratur – Klassische Drogenbücher (Teil 1)

„Bekenntnisse eines englischen Opiumessers“ (Thomas de Quincey), „Annährungen. Drogen und Rausch“ (Ernst Jünger), „Der Electric Kool-Aid Acid Test“ (Tom Wolfe)

Drogenerfahrungen zeichnen sich durch etwas aus, was sie für die Welt der Literatur denkbar ungeeignet macht: Sie lassen sich nur schwer in Worte fassen. Ja, gewisse Drogen und ihre Effekte entziehen sich der Verbalisierung fast vollständig und können kaum nachvollzogen – geschweige denn verstanden – werden, wenn man sie nie selbst konsumiert und erlebt hat. Doch gerade die Herausforderung, das Unbeschreibliche zu beschreiben, ist immer ein Reiz für Schriftsteller_innen und Dichter_innen gewesen, die ihr ganzes Sprachrepertoire aufbieten müssen, um von ihren Reisen durch die unbekannten Kontinente der Psyche zu berichten.

Dabei kommen faszinierende, teils poetische, teils erschreckende, in jedem Fall aber höchst lesenswerte Texte heraus, die Geist und Körper in Extremsituationen schildern. Auch für die Leser_innen hat dies einen offenkundigen Reiz: Sie können ihre Neugier über Drogen und deren Folgen befriedigen, ohne sie selber nehmen zu müssen.

Ich beschäftige mich seit über einem Jahr mit diesem speziellen „Zweig“ der Literatur, der weit über die bloße Beschreibung hedonistischer Exesse hinaus geht, sondern im Laufe der Jahrhunderte eine Fülle kultureller, psychologischer, philosophischer und spiritueller Reflektionen hervorgebracht hat. Auch wenn ich ursprünglich begonnen habe, diese Bücher rein aus Neugier und Vergnügen zu lesen, wurde mir mit fortlaufender Lektüre immer klarer, dass die Begegnung von Mensch und Droge (und ihre literarische Verarbeitung) uns viel über das Menschsein lehren können: Über unsere Träume, unsere Bedürfnisse, unseren Willen, unsere Sinne und unsere Grenzen.

Im ersten Teil von „Highliteratur“ möchte ich drei dieser Bücher vorstellen, Teil 2 und 3 sind bereits fest geplant, weitere Teile werden folgen, wenn ich neue Bücher gelesen habe.

Weiterlesen

Arbeitsverweigerung als Design – Vom Niedergang der Science Fiction-Illustration

Arbeitsverweigerung als Design

Warum heutige Buch-Cover mir selbst gute Science Fiction vergällen, welche Cover man kaum noch voneinander unterscheiden kann und warum viele gegenwärtige Illustrationen die Zukunft zu einem langweiligen Ort machen

Ich war vor ein paar Tagen bei einer kleinen Veranstaltung in meiner Leib- und Magen-Buchhandlung, dem Otherland in Berlin: Hier fand am Freitagabend ein sehr interessantes und nostalgisches Gespräch zwischen den deutschen Science Fiction-Legenden Werner Fuchs und Hardy Kettlitz statt.

Als einige alte Bücher und Magazine unter den rund 30 Anwesenden herumgereicht wurden, war es unvermeidlich, deren phantasiereiche Cover zu bewundern, gegen die uns viele der heutigen Buch-Cover im SF- und Fantasy-Bereich ziemlich einfalls- und lieblos vorkamen.

Ein Besucher erzählte von einer frühen deutschen Ausgabe von „Das Lied und Eis und Feuer“ von George R. R. Martin, die mit einem hässlichen grünlichen Cover daherkam. Er fand es so schlecht, dass er keine Lust hatte, die Bücher zu kaufen. Erst einige Zeit später, als es ihm immer öfter empfohlen wurde, hat er sich überwunden und war vom Inhalt begeistert. Er hätte also durch ein schlechtes Buchcover beinahe eines der größten Ereignisse der modernen Fantasy-Literatur verpasst. Weiterlesen

Podcaster Porträt – Arkham Insiders

Podcaster Porträt - Arkham Insiders

Die „Arkham Insiders“ (alias Mirko und Axel) sind ein Beispiel für die wunderbare Vieltfalt der Podcast-Szene: Ein Podcast, der sich ausschließlich mit Leben, Werk und Nachwirkung des Horror-Autors H.P. Lovecraft beschäftigt. Die beiden haben ALLES, was von und über Lovecraft publiziert wurde mindestens dreimal gelesen und geben Details und Hintergrund-Informationen preis, bei denen selbst Hardcore-Lovecraftianer nur ehrfürchtig „Iä f’tang!“ ausrufen können.

Ich höre Mirko und Axel sehr gerne zu und habe durch die sie schon so manch anderen Literaten entdeckt und nebenbei Einblick in die faszinierende Welt der Pulp-Heft-Kultur gewonnen. Ein Podcast, der Lust aufs Lesen macht – gleiches gilt übrigens für ein weiteres Projekt von Axel und Mirko, nämlich dem großartigen Podcast „Sigma 2 Foxtrot„, der sich vor allem der Science Fiction und der Phantastik widmet.

Zwei Buchdeckel sagen mehr als hundert Alben?

Zwei Buchdeckel sagen mehr als hundert Alben

Warum der Begriff „Graphic Novel“ Comics nicht fördert, sondern ihnen schadet, wieso viele Kritiker dem „Graphic Novel“-Hype hinterherlaufen und welche Comics trotz ihrer erwachsenen Themen nicht als „Graphic Novels“ angesehen werden

Comics waren schon immer die Schmuddelkinder der Kultur: Während sich andere Kunstformen wie der Film oder die Jazz-Musik recht schnell von ihrem Image als trivialer und verderblicher Schund für ein anspruchloses Publikum befreien konnten, sind Comics bis heute einem gewissen naserümpfenden Dünkel von Seiten der Kulturwächter ausgesetzt. Auch die überfällige Adelung zur „neunten Kunst“ konnte daran wenig ändern – und dass Comics als „Graphic Novels“ bezeichnet werden, hat die Sache eher noch verschlechtert.

Dieser Begriff begegnet mir in den letzten Jahren ständig: Buchläden, die sonst gerade mal ein halbes Regal für Asterix + Mangas reserviert haben, haben plötzlich auch „Graphic Novels“ im Angebot – längere Comics im Form eines gebundenen Buches, die meist etwas komplexere und literarische Themen behandeln und sich tendenziell an ein erwachsenes Publikum richten, das nicht unbedingt mit Comics aufgewachsen ist.

Klingt eigentlich erst mal gut, und viele der üblicherweise als „Graphic Novels“ bezeichneten Comics (z.B. Persepolis, Ghost World, V wie Vendetta, Maus) zählen zu meinen Lieblings-Comics. Weiterlesen

Podcaster Porträt – Spoiler Alert

Podcaster Porträt - Spoiler Alert

(Zum Vergrößern draufklicken)

Es gibt im deutschsprachigen Raum leider viel zu wenig Podcasts über Literatur, vor allem über die Literatur, die mich interessiert – Science Fiction, Fantasy, Phantastik. Zum Glück gibt es jedoch den Spoiler Alert mit Stefan Thesing und Daniel Franz, die sich unter den Fragestellungen „Worum geht’s?“ und „Worum geht’s wirklich?“ ausgiebig über  klassische und ungewöhnliche Bücher aus diesem Bereich unterhalten.

Der Spoiler Alert ist mein Lieblings-Literatur-Podcast, den ich nicht nur wegen der Auswahl der Bücher gerne höre, sondern auch wegen der sehr angenehmen Stimme von Stefan und der Art, wie er erzählt, die wirklich Lust auf die besprochenen Bücher macht. Tatsächlich habe ich mir nach der einen oder anderen Folge schon mal ein Buch gekauft bzw. alte Bücher erneut gelesen.

 

Podcaster-Porträt – Björn und Max (Märchenstunde)

Podcaster-Porträt - Björn und Max (Märchenstunde)

Zum Vergrößern draufklicken

Ich unterscheide bei Podcasts zwischen solchen, bei denen es um Informationsvermittlung geht, und solchen, die vor allem unterhaltsam sind. Die Märchenstunde gehört eher zu letzterer Kategorie (aber natürlich erfüllen die meisten meiner Lieblingspodcast beide Funktionen).

Max von Webel und Björn Grau lesen nicht nur einfach Märchen vor – tatsächlich macht das nicht selten den kleinsten Teil der Sendezeit aus – sondern wagen zum Teil sehr unorthodoxe, lustige und spannende Interpretationen bekannter und unbekannter Märchen der Gebrüder Grimm. Auch wenn ich beim Hören manchmal genau das denke, was Hexe, Wolf und Co. in meinem Comic so lautstark fordern, hat mir die Märchenstunde so manche öde Auto-Fahrt schon sehr versüßt.

Mehrsprech – Wörter als Werkzeuge

Mehrsprech

Wie man per Sprache in die Zukunft reisen kann, warum wir neue Begriffe für namenslose Phänomene brauchen und wie man mit Wörtern Unsichtbares sichtbar macht

Ich hab da so ’ne Theorie: „Die Grenzen meiner Sprache sind die Grenzen meiner Welt.“ Das Zitat stammt natürlich nicht von mir, sondern von Ludwig Wittgenstein, aber besser hätte ich es auch nicht ausdrücken können. Und wie das nun mal so ist, wenn man irgendwo über kluge Zitate und treffende Aphorismen stolpert, man denkt sich: „Das muss ich mir unbedingt merken oder irgendwo aufschreiben!“ Immer wieder begegnen uns solche weisen, originellen und wichtigen Gedanken, die uns entscheidende Erkenntnisse und Einsichten über uns selbst und die Welt verraten. Oft genug bedarf es aber nicht einmal eines Satzes, sondern nur eines Wortes, um uns eine neue Erkenntnis oder – was noch entscheidender ist – einen neuen Namen für etwas geben, das wir zuvor nie ganz verstehen und benennen konnten. Wem schoss bei der Entdeckung eines solchen Wortes nicht schon einmal der Gedanke durch den Kopf: „Das habe ich schon so oft gedacht, aber mir fehlte immer ein Wort dafür!“ Weiterlesen

Horror vs. Terror

Terror vs Horror

Was der Unterschied zwischen Grauen und Schrecken ist, warum sichtbare Monster weniger gruselig sind, und wie der perfekte Horrorfilm aussehen könnte…

Ich hab da so ’ne Theorie: Die meisten Horror-Filme haben mit Horror eigentlich gar nichts zu tun. Wie ich darauf komme? Dazu muss ich ein klein wenig ausholen…

Eigentlich mag ich Horror. Ich habe definitiv ein Faible für das Morbide, Unheimliche und Albtraumhafte, allerdings fällt mir immer wieder auf, dass ich nicht besonders scharf auf die meisten Horror-Filme bin. Zum einen stressen sie mich, indem sie mich mit Schockeffekten malträtieren und zum anderen machen sie mich wütend, weil mich die sinnlose Grausamkeit seiner Protagonisten aufregt. Angst erzeugen diese Filme bei mir nur insofern, als dass sie mich einschüchtern. Aber sie geben mir nicht das, was ich unter Horror verstehe, und damit meine ich – das Grauen.

Grauen zu empfinden heißt, sich auf seine Angst einlassen zu können. Es heißt, sich für eine gewisse Zeit in eine Sphäre des Unheimlichen vorzuwagen, in der die Gesetze der Realität nicht gelten. Horrorfilme in diesem Sinne funktionieren daher vor allem über die Atmosphäre und die Handlung und nicht nur über Effekte und die Anzahl verstümmelter Leichen. Weiterlesen

Fantasy für Feiglinge und Gefangene

Fantasyboom erikwenk

Warum wir Fantasy der Science Fiction vorziehen, wieso unsere heutige Zeit mit den 80ern vergleichbar ist und weshalb wir die Hoffnung auf Technik aufgegeben haben.

Ich hab da so ’ne Theorie: Die gegenwärtige Popularität von Fantasy ist ein Symptom für die Angst vor der Zukunft. Das mag erst einmal etwas pathetisch klingen, aber ich kann es durchaus begründen. Inspiriert wurde ich zu diesem Blogpost übrigens von dem Film „Der Hobbit – Eine unerwartete Reise“, den ich vor kurzem gesehen habe und der mir noch einmal vor Augen geführt hat, welchen Stellenwert Fantasy heutzutage hat.

Zunächst mal ist Fantasy nicht erst seit kurzem sondern seit rund zehn Jahren angesagt. Als Hauptursache – was nicht ganz falsch ist – wird meist der Beginn der „Herr der Ringe“-Verfilmungen im Jahr 2001 genannt, aber es fing schon früher an. Die für mich prägende Erfahrung, durch die ich die klassische Fantasy mit all ihren Klischees lieb gewonnen habe, waren Computerspiele. Fantasy hat Computerspiele seit ihren frühesten Anfängen begleitet: Mitte der 70er hatte nicht nur Tolkien Hochkonjunktur, auch Pen & Paper-Rollenspiele wurden immer populärer. Kein Wunder, dass die von Studenten an Universitätsgroßrechnern erstellten Spiele oft Fantasy-Rollenspiele etwa nach dem Vorbild von Dungeons & Dragons waren (zu den frühesten zählen dnd (1974), Adventure (1976) und Zork (1977)). Vor allem in den 80ern wimmelte es vor Fantasy-Spielen: Ultima (1980), Wizardy (1981), The Bard’s Tale (1985), Legend Of Zelda (1986), Final Fantasy (1987), Pool Of Radiance (1988), uvm.

Anfang der 90er Jahren hingegen waren Fantasy-Rollenspiele ziemlich tot, doch Baldur’s Gate von 1998 löste eine bis heute andauernde Renaissance dieses Genres aus: Es folgte Baldurs Gate II von 2000 (das mich am meisten prägte), die Icewind Dale-Reihe (2000), die Diablo II (2000), die Gothic-Reihe (2001), Neverwinter Nights (2002),  die Dungeon Siege-Reihe (2003), Morrowind (2002) und Oblivion (2006) aus der Elder Scrolls-Reihe, der gefeierte dritte Teil von Warcraft III (2002) und das nicht minder gefeierte World of Warcraft (2004). Mindestens letzter Titel dürfte auch einer breiten Öffentlichkeit ein Begriff sein. Weiterlesen