Das Kunst-Dreieck

Das Kunst-Dreieck

Warum Kunst nicht nur von Können kommt (sondern auch von Intention und Anerkennung), wer entscheidet, was Kunst ist, welchen Wert Vielfalt für Kunst besitzt und warum Hip Hop (trotz anderslautender Behauptungen) Musik ist.

Ich hatte vor kurzem eine recht lange Kunst/Musik-Diskussion auf Facebook: Auslöser war ein Hip Hop-Post meinerseits, worauf einer meiner Freunde kommentierte, nach seiner Definition sei diese Musikrichtung melodisch, harmonisch und rhythmisch so limitiert, dass Hip Hop für ihn per se keine Musik sei. Das führte natürlich bei mir und einigen anderen Freunden umgehend zu Schnappatmung, und es entbrannte eine lange Debatte über die Frage, ob Hip Hop Musik ist (rangiert auf dem gleichen Niveau wie die Frage: „Ist Wasser nass?“).

Nach dieser Verschwendung von kostbarer Lebenszeit beschäftigte mich die Diskussion dennoch weiter, denn im Kern ging es um die Frage, was für eine Definition von Musik/Kunst man eigentlich ansetzt, und wo man die Grenze zieht, was Kunst ist, und was nicht. Mir war es wichtig, meine Gedanken noch einmal sortieren und selbst zu verstehen, warum ich die Musik-Definition meines Freundes ignorant fand, denn mit einer Definition, die Hip Hop nicht als Musik anerkennt, stimmt meines Erachtens etwas nicht. Weiterlesen

Mehrsprech – „Heterotopie“

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Kurz-Definition: Heterotopien sind im Gegensatz zu Utopien bewusst unperfekte Gesellschaftsentwürfe, die nicht auf eine Patentlösung ausgerichtet sind, sondern eine Vielfalt an Lösungen parallel existieren lässt.

Der Begriff „Utopie“ hat heutzutage einen abwertenden Klang – zu recht: Utopien postulieren perfekte Gesellschaften, die eine Patentlösung für alle Probleme der Menschheit gefunden haben. Eine nicht nur naive sondern auch gefährliche Vorstellung: Nämlich dann wenn versucht wird, eine utopische Idee, die auf dem Papier funktioniert, gewaltsam in die Tat umzusetzen (siehe Sowjetunion).

Als Gegenbegriff zur positiv ausgerichteten Utopie gilt die pessimistische Dystopie, obwohl bei genauerer Betrachtung jede Utopie zwangläufig als Dystopie enden muss. Das eigentliche Gegenteil der Utopie ist daher die Heterotopie. Weiterlesen

Vitale Monotonie – Blackgaze und Post Black Metal

Vitale Monotonie – Blackgaze und Post Black Metal

Warum Black Metal-Bands die neuen Indie-Bands sind, wieso Monotonie etwas Herrliches sein kann und weshalb Black Metal, Postrock und Minimal Music immer mehr verschmelzen

Ich hab da so ’ne Theorie: Black Metal, Postrock und Minimal Music scheinen auf den ersten Blick völlig unterschiedliche Musik-Richtungen zu sein, sind aber wie die Generationen einer Familie genetisch miteinander verbunden – durch die Monotonie. Es wird niemanden überraschen, dass ich ein großer Fan aller drei Genres bin. Umso mehr freue ich mich, dass seit einigen Jahren eine erstaunliche Symbiose ebendieser Genres stattfindet. Die Schlüsselwörter hierfür lauten: Blackgaze und Post Black Metal. Weiterlesen

Wie kann Leben aus toten Atomen entstehen?

Wie kann Leben aus toten Atomen entstehen

Warum Warum-Fragen nie mit Erklärungen beantwortet werden, wo sich in unserer Materie das Leben befinden könnte und für was uns noch die Regelsysteme fehlen, um die Welt im Kleinsten und Größten zu beschreiben

Ich hab da so ’ne Theorie: Das Phänomen, das wir Leben nennen, befindet sich nicht in der Materie, aus der wir bestehen, sondern dazwischen. Weiterlesen

Der Tod der Genres – die Demokratisierung der Musik

Der Tod der Genres – die Demokratisierung der Musik

Warum wir nicht mehr von Retro sprechen sollten, wieso nur noch Privat-Stile statt Genres entstehen, weshalb Jugendkulturen unmöglich geworden sind und was wir LSD zu verdanken haben  

Ich hab da so ’ne Theorie: Seit der Jahrtausendwende gibt es keine neuen Musikgenres mehr, und es wird vermutlich auch keine neuen mehr geben. Gekommen ist mir dieser Gedanke, als ich überlegte, was eigentlich das Spezifische der Rock- und Pop-Musik der 2000er Dekade (auch Nuller-Jahre genannt) war, doch mir fiel kaum etwas ein. Sicher, es gab viele denkwürdige Bands, Alben und Songs, die diese Zeit geprägt haben, aber irgendwie ließen sich daraus keine größeren Linien spinnen, jedenfalls nicht so, wie bei früheren Jahrzehnten.

Seit dem Beginn der modernen Rock- und Pop-Musik etwa ab den 50er Jahren kann man feststellen, dass jedes Jahrzehnt zahlreiche neue Musikgenres hervorgebracht hat: Genres, die nicht nur ein Substil eines älteren Genres waren, sondern etwas so noch nie Dagewesenes mit einem ganz eigenen Klang und einer neuen Zielgruppe, die eine eigene Subkultur pflegte. Auch haben fast alle dieser Jahrzehnte einen bestimmten Klang, den man sofort zuordnen konnte; heute hingegen hört man Songs im Radio, von denen man kaum sagen kann, ob sie 2013 oder in den 60ern oder 80ern produziert wurden. Weiterlesen

Verwirrung ist dein Freund

Verwirrung ist dein Freund

Warum eine einfachere Welt keine bessere wäre, wie Ockhams Rasiermesser Realität beschneidet, warum wir vor den falschen Dingen Angst haben, und was unsere Gesellschaft mit Hamlet gemein hat.

Ich hab da so ’ne Theorie: Eine einfache Welt ist auch eine ungerechte Welt. Unsere derzeitige Wahrnehmung ist jedoch genau umgekehrt: Die Welt scheint fortwährend komplexer und gleichzeitig unfairer zu werden – statt überschaubarer Nationalkriege gibt es internationalen Terrorismus ohne Kapitulation, eine immer unverständlichere Finanzwirtschaft vernichtet reale Werte, durch die Globalisierung wächst die Kluft zwischen arm und reich, etc. Und weil alles so komplex ist, haben wir das Gefühl, auf nichts mehr eine Antwort haben zu können, weil es zu viele Hintergründe und zu viele Meinungen gibt.

Ich beobachte selbst seit einiger Zeit, dass in unserer Gesellschaft eine Sehnsucht nach mehr Einfachheit und Klarheit herrscht, wie ich zum Beispiel in einem meiner vorigen Blogposts über den Fantasy-Boom betrachtet habe. Manifestiert hat sich diese Unsicherheit übrigens auch im Text eines bekannten Schlagers, der 2009 hoch und runter gedudelt wurde:

„Diese Welt ist schnell
Und hat verlernt beständig zu sein.

[…]

Gib mir ein kleines bisschen Sicherheit
In einer Welt in der nichts sicher scheint.
Gib mir in dieser schnellen Zeit irgendwas das bleibt.“ („Irgendwas bleibt“, Silbermond)

Doch wir dürfen die Unübersichtlichkeit und Komplexität der Globalisierung keinesfalls fürchten und bekämpfen, sondern müssen uns voll auf ihre Seite schlagen. Diese Einsicht kam mir zuerst während meines Philosophiestudiums, von dem ich mir unter anderem Lösungen für die Probleme dieser Welt erhoffte. Doch die Antworten, die ich bei den Meisterdenkern der Antike und der Aufklärung fand, befriedigten mich nicht: Sie waren zu alt und zu einfach. Damit ging es mir genauso, wie dem postmodernen Philosophen Jean-François Lyotard, der die „großen Erzählungen“ der Moderne für gescheitert erklärte: Das Reich Gottes, Aufklärung, Rationalismus, Kommunismus, Freie Marktwirtschaft, … Sie sind zu simpel für diese immer komplexer werdende Welt, und müssen zwangsläufig scheitern. Die Sehnsucht nach solchen Erzählungen und Lösungen, die unser Weltbild ordnen und uns die Angst vor der Zukunft nehmen, ist immer noch da – auch bei mir. Aber ich kann ihnen nicht mehr glauben. Weiterlesen