Filesharer sind die besseren Fans

Warum es Raubkopien gar nicht gibt, warum wir nicht mehr zur CD zurückkönnen, warum Filesharer mehr Musik kaufen als andere und wie man mit Musik Geld verdient, ohne sie zu verkaufen.

Lasst uns über Musik reden…

Zum Thema Urheberrecht und Raubkopieren ist bereits viel im Netz geschrieben worden – viel Leidenschaftliches, manch Wütendes, wenig Konstruktives. Trotz der Fülle an Artikeln, Meinungen, Offenen Briefen, Pamphleten und Kommentaren habe ich mich dennoch dazu entschlossen, dem Diskurs ein weiteres Mosaiksteinchen hinzuzufügen, da es gewisse Dinge gibt, über die bislang zu wenig geschrieben worden ist (ja, das gibts). Und seien wir ehrlich: Ein Blog ohne einen noch so kleinen Text zu Urheberrecht und Co. macht den Leser ja schon fast misstrauisch.

Zu allererst ist mir eine Eingrenzung wichtig: Nach meiner Beobachtung wird die ganze Debatte nicht nur viel zu schrill, sondern vor allem viel zu breit und mit zu wenig Sachkenntnis geführt. Zeitungsverlage werden mit Musik-Labels und Film-Konzernen gleichgesetzt, es wird ungenau zwischen Urheberrecht, Verwertungsrecht und Copyright unterschieden, Privatkopie, Filesharing und Produktpiraterie wird in einen Topf geworfen. Besonders in einer Hinsicht ist mir Differenzierung wichtig, nämlich bei den verschiedenen Kultur-Bereichen, über die wir reden: Die Debatte um Musik-Downloads – um die es mir hier in erster Linie geht und mit der ich mich am meisten beschäftigt habe – muss anders geführt werden als etwa die über Film-Downloads oder gecrackte Software und Computerspiele. In jedem Fall reden wir über andere Nutzer-Zielgruppen, andere Vertriebswege, einen anderen Kulturbereich, über unterschiedlich komplexe Produktionswege, über verschieden starke Geldflüsse und über andere Machtverhältnisse zwischen Kreativen und Verwertern. Weiterlesen

Wer hat Angst vor Progressive Rock?

Die Ekel-Reflexe der Mainstream-Musik-Kritik

Mich erstaunt (und erschreckt) immer wieder, welch massive und heftige Ablehnung Progressive Rock nach wie vor erfährt. Geht es um Prog, so beginnen Mainstream-Musik-Kritiker (zum Beispiel vom Rolling Stone Magazin) eine ernste und grimmige Miene aufzusetzen, als seien sie gezwungen, nun über ein unangenehmes aber zum Glück überwundenes Kapitel der Musikgeschichte reden zu müssen; etwa so, wie wenn Geschichtslehrer anfangen, vom Nationalsozialismus (einem ähnlichen Blackout) zu sprechen. Mit ernstem Blick schütteln sie den Kopf und runzeln verächtlich die Stirn – nicht einmal lachen können die Kritiker über dieses „Un-Genre“, hier verstehen sie keinen Spaß. Mit unverhohlener Abscheu befleißigen sich Kritiker wie Musiker schnell einer regelrechten Ausrottungsrhetorik a la: „Prog ist alles, was in der Musik schief gelaufen ist“ (Thom Yorke, Radiohead), „Zum Glück kam dann der Punk und hat diese ganze Seuche hinweggefegt“ (Andreas Müller, Radio1) oder, um den prominentesten Prog-Inqusitor zu nennen: „Emerson, Lake & Palmer haben Mitschuld an der schleichenden Fäulnis all dessen, was rein war in der Rockmusik“ (Lester Bangs). Diese Kritik wurde vor allem in den 70ern geäußert. Das Erstaunliche ist jedoch, dass man auch im Jahr 2011 mit schöner Regelmäßigkeit auf die Floskeln wie die drei oben Genannten stößt, obwohl die große Prog-Ära (also die 70er Jahre) lange vorbei ist und Prog heutzutage ein Nischendasein fristet. Weiterlesen

Der wilde Mann im Wald – Black Metal aus geschlechterpolitischer Sicht

Gothic und Black Metal

Ich hab da so ’ne Theorie: Gothic und Black Metal sind zwei Seiten derselben Medaille. Diese Medaille steht für einen Musikstil mit düsterer Weltanschauung, wobei Gothic den weiblichen und Black Metal den männlichen Zugang dazu darstellt. Das lässt sich unter anderem aus der (biologischen) Geschlechterverteilung der beiden Genres ableiten: Im Gothic (sowohl unter Fans als auch unter Musikern) finden sich oft Frauen, während es im Black Metal nur wenige Frauen unter den Fans und eigentlich zu gut wie keine unter den Musikern gibt – es sei denn vereinzelt als Sängerin (zum Beispiel Jessika Kenney bei Wolves In The Throne Room). Nichtsdestotrotz gibt es auch Ausnahmen: Ebonsight aus der Türkei oder Astarte aus Griechenland sind rein weiblich besetzte Black Metal-Bands, Vae Tertium aus Deutschland haben immerhin eine zu Hälfte weibliche Besetzung. Daneben lässt sich der Unterschied auch musikalisch beobachten: Gothic ist wesentlich emotionaler, sinnlicher und melodiöser als Black Metal, der im Gegensatz dazu sehr viel härter und rauer ist und eine kargere Ästhetik besitzt – die auf seine Weise aber auch sinnlich ist.

Natürlich sind dies nur Geschlechter-Klischees (weiblich = weich und emotional; männlich = hart und rational), und sie lassen sich auch nicht wirklich konsequent anwenden: So könnte man etwa daraus schließen, dass Gothic im Gegensatz zum „kalten“ Black Metal eine „wärmer“ klingende Musik ist, aber das ist nicht unbedingt der Fall. Oft ist Gothic sogar um einiges kühler, da im Black Metal nicht so häufig mit elektronischen Sounds gearbeitet wird.  Auf der anderen Seite lässt sich das männliche Klischee von der „rationalen Kälte“ auch nicht wirklich durchhalten, denn nur wenige Black Metal-Songs sind durch eine sachlich-nüchterne Herangehensweise gekennzeichnet. Weiterlesen