Indische Beobachtungen 5 – Tee/Chai, Blutegel und Pauschalbusreisen für Studenten

Indische Beobachtungen

Tee/Chai

Wenn man in Indien einen „Tea“ bestellt, egal ob am Straßenstand, im Hotel oder Restaurant, man bekommt ein enorm süßes, milchiges Getränk in einem sehr kleinen Becher (etwa wie ein Mokka-Becher) serviert. Es handelt sich um Chai (Schwarztee mit Gewürzen, u.a. Kardamon) mit Milch und Zucker, der aber mit dem Chai, den man in Deutschland meist bekommt, recht wenig zu tun hat. Ich wollte mal wissen, wie der Chai eigentlich richtig schmeckt, also habe ich bei einem Straßenstand um einen Chai ohne Zucker gebeten – und es sofort bereut, denn ohne Zucker schmeckte der Tee fast nach nichts. Kein Wunder, denn die Teesiebe aus Stoff, die bei dem Stand benutzt wurden, sahen aus, als wären sie schon den ganzen Tag mit immer dem gleichen Tee in Benutzung (die Teesiebe selbst aber schon wesentlich länger). Das war aber kein Einzelfall, auch in einem Hotel habe ich dieselbe Erfahrung gemacht.

Trotzdem hole ich mir bei jeder Gelegenheit einen Chai, weil ich nun mal ein Tee-Liebhaber bin, und es einfach schätze, mal eben am Straßenrand eine heiße Tasse Tee zu trinken – außerdem kostet er ja nur 10 Rupien (ca. 14 Cent). Wirklich guten Gewürztee habe ich erst auf meiner Farm getrunken, das war allerdings kein klassischer Chai.

Ein Glas Chai in einer typischen Straßenküche

Ein Glas Chai in einer typischen Straßenküche in Delhi

Den vielleicht besten Chai habe ich bei meinem Couchsurfer in Vadodara in Gujarat getrunken, die Stadt ist berühmt für ihren Chai. Allerdings war ich etwas verwundert, wie der Tee ins Haus gelangte: Ich dachte, mein Couchsurfer würde ihn einfach bei sich in der Küche kochen, stattdessen holte er ihn von einer nahe gelegen Chai-Küche – in einem dünnen Pastikbeutel, der oben zugeknotet war. Eine Praxis, die ich so auch in Jodphur in Rajasthan öfters beobachtet habe.

Was ich wirklich toll finde, ist, dass man Chai auch jederzeit bei längeren Zug- oder Busfahrten bekommt: Besonders in Zügen läuft gefühlt alle zehn Minuten ein Zugangestellter mit einem großen Behälter Chai durch die Reihen und gibt sie einem in einen kleinen Pappbecher (den man später notgedrungen aus dem Fenster schmeißt, denn leider gibt es in den Zügen keine Müllbehälter). Auf einer Fahrt habe ich mal vier Chais getrunken, weil ich so viel Lust darauf hatte. In Bussen gibt es den Chai natürlich nur bei den etwas längeren Stopps, wo dann entweder Verkäufer in den Bus kommen oder den Chai direkt am Fenster verkaufen.

Auf diese Weise wird übrigens nicht nur Chai oder Kaffee in Zügen verkauft, von warmem Essen über Kartoffelchips bis Luftballons und Brieftaschen wird so ziemlich alles von den mobilen Händlern verramscht – egal wie voll der Zug ist.

Seltsamerweise findet man klassischen Schwarztee eher selten, sowohl in Restaurants als auch in Supermärkten. Außerdem ist granulierter Schwarztee anscheinend üblicher als der vollblättrige Tee. Und meinen geliebten Earl Grey Tee habe ich in den Supermärkten und Restaurants bislang vergeblich gesucht…

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Indische Beobachtungen 4 – Holy Shit, Bier und Telefonieren am Steuer

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Holy Shit

Dass Kühe in Indien heilig sind, dürften die meisten ja wissen: Sie laufen überall auf der Straße rum, verursachen Staus, knabbern gern mal die Waren von Straßenständen an und niemand tut ihnen was zuleide. Der Vater von meinem Farm-Host hatte zwei Kühe, doch sie waren schon alt und gaben keine Milch mehr. Trotzdem hat er sie weiter gefüttert und gepflegt, obwohl sie für ihn keinen direkten Nutzen hatten (außer als Abfallbeseitiger/fresser). Wenn sie noch älter werden, will er sie in einen Tempel geben: Jeder größere Tempel hat eigene Kühe, Tempel sind sozusagen eine Art Altersheim für Kühe. Stirbt eine Kuh, wird sie nicht etwa gegessen sondern begraben – wenn man sich das leisten kann. Viele Bauern sind arm und das Begraben einer Kuh wäre eine große Verschwendung, also werden sie entweder verkauft oder durch einen „Unfall“ getötet…

Was mir neu war, ist, dass sogar die Exkremente der Kühe heilig sind: Mein Farmhost zeigte mir einen alten Steinherd im Haus und erklärte mir, dass seine Frau diesen Herd regelmäßig mit Kuhdung einschmierte, da dies Bakterien fernhalten würde. Aus dem selben Grund wird auch der Boden vor dem Hauseingang wird oft mit Dung (vermischt mit Wasser) eingerieben – kurz gesagt, man macht mit (Kuh)Scheiße sauber. Auch der Urin ist heilig und gilt als gesund, es gibt viele Menschen, die ihn trinken, nachdem er gefiltert und gereinigt wurde. In dieser Form kann man ihn auch in Supermärkten kaufen (habe ich bisher aber noch nicht entdeckt).

Und natürlich gelten auch die normalen Kuh-Produkte wie Milch, Butter und Käse als heilig und gesund. Das führt (aus veganer Sicht) zu der paradoxen Situation, dass Kühe zwar nicht getötet werden, sie aber doch als Nutzvieh für Milch gehalten werden. Daher ist es in Indien zwar einfach, sich vegetarisch zu ernähren, als Veganer hingegen hat man es ziemlich schwer.

Es gibt übrigens in der indischen Oberschicht/gehobenen Mittelschicht (etwa in Mumbai) den wachsenden Trend, auch Rindfleisch zu essen. Ich vermute, dies ist ein Aufbegehren gegen den religiösen Konservatismus in Indien, ein Wunsch der jungen Generation, sich von ihren Eltern abzuheben. Für diese Theorie spricht auch folgendes Plakat, das ich in Panjim (Goa) gesehen habe:

Die "Campaign against Fanaticism" der Popular Front of Judäa- äh, India

Die „Campaign against Fanaticism“ der Popular Front of Judäa- äh, India

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Indische Beobachtungen 3 – Multireligiösität, Hautbleichung und Gewichtszunahme-Produkte

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Multireligiösität

In Deutschland gibt es ja immer noch viele Menschen, die bei einem Satz wie „Der Islam gehört zu Deutschland“ empört nach Luft schnappen und die nächste Blödiga-Demo starten, sobald sie ein Minarett sehen. In diesem Punkt hat Indien Deutschland wirklich etwas voraus, denn insbesondere in Südindien leben Hindus, Muslime, Christen, Sikhs und Jains völlig selbstverständlich nebeneinander, und zwar im ganz buchstäblichen Sinne: Einmal habe ich tatsächlich eine Moschee gesehen, die direkt neben einer christlichen Kirche stand – in Deutschland unvorstellbar! Ich habe sogar hin und wieder Sticker und kleine Schreine gesehen (z.B. in Bussen), auf denen Jesus, Krishna/Ganesh und die Kaaba/eine Moschee friedlich nebeneinander dargestellt waren.

Ein kleiner Schrein mit Ganesh, Jesus und der Kaaba, fotografiert in einem Bus

Ein kleiner Schrein mit Ganesh, Jesus und der Kaaba, fotografiert in einem Bus

Ich finde das bemerkenswert, denn in Indien gibt es aufgrund des endlosen Konflikts mit Pakistan (siehe Kashmir) leider immer wieder mal terroristische Anschläge mit islamistischen Hintergrund. Angesichts dessen geht man nach meiner Wahrnehmung in Indien ziemlich locker mit dem Nebeneinander so vieler Religionen um. Weiterlesen

Indische Beobachtungen 2 – Hupen, Hakenkreuze und heilige Bärte

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Hupen

Auto-Hupen sind ein in Deutschland relativ sparsam eingesetztes Signal, um andere Verkehrsteilnehmer auf ihr Fehlverhalten hinzuweisen. In (süd)indischen Großstädten hingegen ist das Hupen ein nahezu gewohnheitsmäßiges Kommunikationsmittel, deren Benutzung eher die Regel als die Ausnahme ist. In anderen Worten: Es wird einfach ununterbrochen gehupt, im Schnitt benutzt jeder Verkehrsteilnehmer die Hupe etwa alle drei bis fünf Sekunden (so am extremsten erlebt in Chennai).

Dazu muss man wissen, dass auf Straßen egal welcher Größe die Regel gilt: Man fährt überall, wo Platz ist. Und da viele Inder mit Motorrädern und Motorrollern fahren, gibt es natürlich dauernd Lücken, in die man hineinschlüpfen kann. So ist der normale Verkehr ein ständiges Überholen und Überholtwerden, und das Hupen dient dazu um a) die anderen Verkehrsteilnehmer aus Sicherheitsgründen zu informieren, dass man jetzt überholt und b) als Aufforderung, bitte Platz zu machen. Dann gibt es noch das prophylaktische Hupen: Wenn man in eine schwer einsehbare Kurve einbiegt oder auf einer gerade Straße jemand zu nah am Straßenrand läuft, hupt man vorsichtshalber auch immer, um Unfälle zu vermeiden (dennoch sind Unfälle alltäglich). Weiterlesen

Indische Beobachtungen 1 – Truck Art, Küssen und Chemical Brothers

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Truck Art

Eines der Dinge, die ich in Indien sofort mochte, waren die Trucks und LKWs, die man auf der Straße sieht. Während man europäische Fernfahrer-LKWs ja vor allem als triste Ungetüme kennt, die industrielle Freudlosigkeit ausstrahlen, können es manche indische LKWs locker mit einem Hippie-Bus von 1967 aufnehmen. Jeder dieser LKWs ist individuell bemalt und voller bunter Ornamente und Schriftzüge, manche sind enorm aufwändig gestaltet und haben sogar eine holzgeschnitzte Fahrerkabine, die natürlich ebenfalls bunt bemalt ist. Solche Vehikel würde man in Europa höchstens auf der Fusion sehen, hier fahren sie einfach so auf der Straße. Anscheind hat diese „Truck Art“ seinen Ursprung darin, dass die Besitzer von Reittieren diese früher auch bunt schmückten.

In der ersten Version dieses Artikels hatte ich noch nicht so viele Fotos von den bunten Trucks, das liefere ich hier mal nach:

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Ich bin übrigens selbst einen Tag als Tramper mit so einem Truck mitgefahren, der sah aber leider ganz normal aus.

Seinen Ursprung hat die Truck Art anscheinend in Pakistan, wo die Trucks noch viel spektakulärer aussehen. Es gibt auch eine Doku über die indischen Trucks namens „Horn Please“ – auf jedem dieser Trucks steht hinten nämlich „Horn Please“ „Sound Horn“ oder Blow Horn“ drauf – das ist wörtlich gemeint, aber über das Thema Hupen berichte ich das nächste Mal. Weiterlesen