Mehrsprech – „Substanzismus“
Kurz-Definition: Substanzismus ist eine Ideologie, die manche Drogen als besser bzw. schlechter ansieht, als andere.
Unsere Gesellschaft pflegt einen schizophrenen Umgang mit Drogen: Auf der einen Seite haben wir Politiker_innen, die Bier als „Grundnahrungsgmittel und Lebenselixier“ bezeichnen (Horst Seehofer) und der Meinung sind, mit zwei Maß (Liter) Bier intus könne man noch hervorragend Auto fahren (Günther Beckstein). Auf der anderen Seite werden harmlosere Drogen wie Cannabis als Teufelszeug, Einstiegsdroge, usw. dämonisiert und ihre Konsument_innen verfolgt wie Schwerverbrecher_innen.
Zum einen also Verharmlosung, Propagierung und Bevorzugung einer Droge wie Alkohol, die jährlich 74 000 Tote in Deutschland fordert, und die oftmals unreflektiert, alltäglich und gewohnheitsmäßig konsumiert wird, auf der anderen Seite Stigmatisierung, Kriminalisierung und Verurteilung illegalisierter Drogen und ihrer Konsument_innen.
Diese Doppelmoral hat einen Namen: Substanzismus, also der Glaube, dass (m)eine Droge besser ist, als alle anderen. Weiterlesen
Schon so spät
Mechanical Floating No. 35
Die Insel – Sommerzeit
Auf den zweiten Blick
Mechanical Floating No. 34
Die Insel – Vorhersage
„Wir sind das V-, äh, die Alternativen!“
Wer alternativ ist, denkt progressiv, kritisch, links – oder? Von der drohenden Umdeutung einer unserer wichtigsten Ideen
„Alternative“ ist ein urdemokratisches Wort: Es bedeutet, zwischen zwei oder mehreren Optionen die Wahl zu haben. Es bedeutet, aus alten Denkmustern auszubrechen, scheinbar Normales zu hinterfragen, neue Wege zu gehen. Oft wird es als Synonym von „links-alternativ“ verwendet, als eine moderne Übersetzung von „utopisch“ im besten Sinne des Wortes.
Doch der emanzipatorischen Vokabel scheint ein Bedeutungswandel zu drohen: Eine rechtspopulistische Partei reklamiert erfolgreich für sich, eine „Alternative für Deutschland“ zu sein, ihr Wählerspektrum informiert sich bevorzugt in „Alternativmedien“ wie Russia Today, Compact oder KenFM. Wer nach „alternativ“ googelt, findet als siebenten Treffer das Video-Portal „Alternativ.TV“, eine bunte Mischung aus Verschwörungstheorien, Globalisierungskritik, Esoterik und rechter Hetze. Kürzlich ging die Trump-Beraterin Kellyanne Conway sogar so weit zu sagen, das Weiße Haus biete „alternative Fakten“ (also Lügen) an, weil dem Sprecher des Weißen Hauses die Berichterstattung über die Realität nicht gefiel.
Ein ähnliches Muster zeigt sich bei der „Alternativ-Medizin“, die ebenfalls einfache Lösungen für komplexe Probleme verspricht: Negativfolie von Homöopathen, Naturheilern und Anthroposophen sind allerdings nicht die etablierten Medien und Parteien, sondern die Schulmedizin.
Bei all diesen Beispielen zeigt sich, dass „alternativ“ in gewissen Kreisen immer mehr wie „postfaktisch“ verwendet wird, sowie im Sinne von „dagegen“ statt „für etwas anderes stehend“. Diese „Alternativen“ träumen nicht von etwas Neuem, sondern von etwas Altem, von der Vergangenheit. Weiterlesen