Satire darf alles – aber was muss sie?

Satire darf alles - aber was muss sie

Warum Satire Anschläge nicht provoziert, sondern verhindert, warum wir zum Lachen verführt werden müssen und wann Satire Sinn macht und wann nicht.

Satire darf alles, ja, sie muss alles dürfen. Warum? Das zeigt ein aktuelles Beispiel aus Köln: Traditionell fahren beim Rosenmontags-Umzug Festwagen durch die Stadt, die mit ätzenden und satirischen Motiven Ereignisse der letzten Zeit kommentieren. So sollte auch ein Wagen mit Bezug auf die Anschläge auf die Redaktion des Pariser Satire-Magazins Charlie Hebdo Teil des Umzugs sein. Obwohl der Entwurf bereits im Internet abgestimmt worden war, entschied sich das Festkomitee etwa eine Woche vor Rosenmontag, den Wagen nicht fahren zu lassen. Begründung: Man sei zwar mit der Botschaft des Wagens einverstanden, wolle aber nicht „die Freiheit und leichte Art des Karnevals“ einschränken.

Dieser beschämende Fall von vorauseilender Feigheit ist aus gleich mehreren Gründen eine absolut unverständliche und gefährliche Entscheidung: Weiterlesen

Mehrsprech – „Heterotopie“

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Kurz-Definition: Heterotopien sind im Gegensatz zu Utopien bewusst unperfekte Gesellschaftsentwürfe, die nicht auf eine Patentlösung ausgerichtet sind, sondern eine Vielfalt an Lösungen parallel existieren lässt.

Der Begriff „Utopie“ hat heutzutage einen abwertenden Klang – zu recht: Utopien postulieren perfekte Gesellschaften, die eine Patentlösung für alle Probleme der Menschheit gefunden haben. Eine nicht nur naive sondern auch gefährliche Vorstellung: Nämlich dann wenn versucht wird, eine utopische Idee, die auf dem Papier funktioniert, gewaltsam in die Tat umzusetzen (siehe Sowjetunion).

Als Gegenbegriff zur positiv ausgerichteten Utopie gilt die pessimistische Dystopie, obwohl bei genauerer Betrachtung jede Utopie zwangläufig als Dystopie enden muss. Das eigentliche Gegenteil der Utopie ist daher die Heterotopie. Weiterlesen

Mehrsprech – „Kollateralnutzen“

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Kurz-Definition: Kollateral-Nutzen sind ungeplante, positive Neben-Effekte von Handlungen, die auf etwas ganz anderes abzielten oder negativer Natur sind

Als das Internet sich immer stärker verbreitete und die ersten Flatrates angeboten wurden, stieg auch das illegale Herunterladen von Musik, Filmen und Software. Mit diesem Nutzungsdruck stieg jedoch auch der rasante Breitbandausbau, weshalb man sagen könnte, dass Internet-Piraterie massiv zur derzeitigen digitalen Infrastruktur beigetragen hat.

Dies war so nicht geplant – es handelte sich schlicht um einen Kollateralnutzen. Immer wieder passiert es, dass Menschen durch ihr Handeln zufällig positive Nebeneffekte hervorrufen, obwohl das gar nicht ihre Absicht war oder ihr Tun sogar schädlicher Natur war. Weiterlesen

Mehrsprech – „Würstchen-Prinzip“

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Kurz-Definition: Das Würstchen-Prinzip besagt, dass man besser nie wissen sollte, wie Dinge, die man mag, hergestellt werden oder zustande kommen – oder besser doch.

„Gesetze sind wie Würste – man sollte besser nicht dabei sein, wenn sie gemacht werden.“ (Otto von Bismarck). Dieser Vergleich ist leider allzu wahr, denn ebenso wenig, wie in Würstchen ausschließlich die qualitativ besten Zutaten verarbeitet werden (sondern eher Fleisch-Reste), sind Vernunft und Sachverstand die Hauptzutaten bei der Fabrizierung so mancher Gesetze (sondern eher Ideologie und Hinterzimmer-Deals). Grund genug vom „Würstchen-Prinzip“ zu sprechen, wenn es um akzeptierte und anerkannte Dinge geht, die ungern hinterfragt werden, weil ihr Ursprung fragwürdiger Natur ist. Weiterlesen

Der Tod der Genres – die Demokratisierung der Musik

Der Tod der Genres – die Demokratisierung der Musik

Warum wir nicht mehr von Retro sprechen sollten, wieso nur noch Privat-Stile statt Genres entstehen, weshalb Jugendkulturen unmöglich geworden sind und was wir LSD zu verdanken haben  

Ich hab da so ’ne Theorie: Seit der Jahrtausendwende gibt es keine neuen Musikgenres mehr, und es wird vermutlich auch keine neuen mehr geben. Gekommen ist mir dieser Gedanke, als ich überlegte, was eigentlich das Spezifische der Rock- und Pop-Musik der 2000er Dekade (auch Nuller-Jahre genannt) war, doch mir fiel kaum etwas ein. Sicher, es gab viele denkwürdige Bands, Alben und Songs, die diese Zeit geprägt haben, aber irgendwie ließen sich daraus keine größeren Linien spinnen, jedenfalls nicht so, wie bei früheren Jahrzehnten.

Seit dem Beginn der modernen Rock- und Pop-Musik etwa ab den 50er Jahren kann man feststellen, dass jedes Jahrzehnt zahlreiche neue Musikgenres hervorgebracht hat: Genres, die nicht nur ein Substil eines älteren Genres waren, sondern etwas so noch nie Dagewesenes mit einem ganz eigenen Klang und einer neuen Zielgruppe, die eine eigene Subkultur pflegte. Auch haben fast alle dieser Jahrzehnte einen bestimmten Klang, den man sofort zuordnen konnte; heute hingegen hört man Songs im Radio, von denen man kaum sagen kann, ob sie 2013 oder in den 60ern oder 80ern produziert wurden. Weiterlesen

Horror vs. Terror

Terror vs Horror

Was der Unterschied zwischen Grauen und Schrecken ist, warum sichtbare Monster weniger gruselig sind, und wie der perfekte Horrorfilm aussehen könnte…

Ich hab da so ’ne Theorie: Die meisten Horror-Filme haben mit Horror eigentlich gar nichts zu tun. Wie ich darauf komme? Dazu muss ich ein klein wenig ausholen…

Eigentlich mag ich Horror. Ich habe definitiv ein Faible für das Morbide, Unheimliche und Albtraumhafte, allerdings fällt mir immer wieder auf, dass ich nicht besonders scharf auf die meisten Horror-Filme bin. Zum einen stressen sie mich, indem sie mich mit Schockeffekten malträtieren und zum anderen machen sie mich wütend, weil mich die sinnlose Grausamkeit seiner Protagonisten aufregt. Angst erzeugen diese Filme bei mir nur insofern, als dass sie mich einschüchtern. Aber sie geben mir nicht das, was ich unter Horror verstehe, und damit meine ich – das Grauen.

Grauen zu empfinden heißt, sich auf seine Angst einlassen zu können. Es heißt, sich für eine gewisse Zeit in eine Sphäre des Unheimlichen vorzuwagen, in der die Gesetze der Realität nicht gelten. Horrorfilme in diesem Sinne funktionieren daher vor allem über die Atmosphäre und die Handlung und nicht nur über Effekte und die Anzahl verstümmelter Leichen. Weiterlesen

Fantasy für Feiglinge und Gefangene

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Warum wir Fantasy der Science Fiction vorziehen, wieso unsere heutige Zeit mit den 80ern vergleichbar ist und weshalb wir die Hoffnung auf Technik aufgegeben haben.

Ich hab da so ’ne Theorie: Die gegenwärtige Popularität von Fantasy ist ein Symptom für die Angst vor der Zukunft. Das mag erst einmal etwas pathetisch klingen, aber ich kann es durchaus begründen. Inspiriert wurde ich zu diesem Blogpost übrigens von dem Film „Der Hobbit – Eine unerwartete Reise“, den ich vor kurzem gesehen habe und der mir noch einmal vor Augen geführt hat, welchen Stellenwert Fantasy heutzutage hat.

Zunächst mal ist Fantasy nicht erst seit kurzem sondern seit rund zehn Jahren angesagt. Als Hauptursache – was nicht ganz falsch ist – wird meist der Beginn der „Herr der Ringe“-Verfilmungen im Jahr 2001 genannt, aber es fing schon früher an. Die für mich prägende Erfahrung, durch die ich die klassische Fantasy mit all ihren Klischees lieb gewonnen habe, waren Computerspiele. Fantasy hat Computerspiele seit ihren frühesten Anfängen begleitet: Mitte der 70er hatte nicht nur Tolkien Hochkonjunktur, auch Pen & Paper-Rollenspiele wurden immer populärer. Kein Wunder, dass die von Studenten an Universitätsgroßrechnern erstellten Spiele oft Fantasy-Rollenspiele etwa nach dem Vorbild von Dungeons & Dragons waren (zu den frühesten zählen dnd (1974), Adventure (1976) und Zork (1977)). Vor allem in den 80ern wimmelte es vor Fantasy-Spielen: Ultima (1980), Wizardy (1981), The Bard’s Tale (1985), Legend Of Zelda (1986), Final Fantasy (1987), Pool Of Radiance (1988), uvm.

Anfang der 90er Jahren hingegen waren Fantasy-Rollenspiele ziemlich tot, doch Baldur’s Gate von 1998 löste eine bis heute andauernde Renaissance dieses Genres aus: Es folgte Baldurs Gate II von 2000 (das mich am meisten prägte), die Icewind Dale-Reihe (2000), die Diablo II (2000), die Gothic-Reihe (2001), Neverwinter Nights (2002),  die Dungeon Siege-Reihe (2003), Morrowind (2002) und Oblivion (2006) aus der Elder Scrolls-Reihe, der gefeierte dritte Teil von Warcraft III (2002) und das nicht minder gefeierte World of Warcraft (2004). Mindestens letzter Titel dürfte auch einer breiten Öffentlichkeit ein Begriff sein. Weiterlesen

Die fünf Arten von Autoren

Warum manche Kinderbücher besser sind als „ernsthafte“ Literatur, was Erzähler und Stilisten unterscheidet, und warum manche Autoren „Fabulierer“ oder „Atmosphäriker“ sind.

Ich hab da so ’ne Theorie: Man kann Schriftsteller grob in fünf Kategorien einteilen – Stilisten, Erzähler, Ideenreiche, Beschreiber und Beobachter. Ich gebe zu, dass es relativ allgemeine und konventionelle Kategorien sind; Dinge wie das Experimentieren mit der Form oder das Erschaffen von guten Charakteren sind nicht gesondert berücksichtigt worden. Auch lässt sich die individuelle Qualität eines Schriftstellers kaum durch dieses Raster erfassen, ein Autor wie Kafka etwa ist zwar ein guter Beobachter und stilistisch versiert, doch seine Faszination lässt sich unmöglich durch diese Kategorien beschreiben – das gilt natürlich auch für die anderen genannten Autoren, die alle gänzlich individuelle Qualitäten besitzen. Weiterlesen