Mehrsprech – „Verkehrswende“

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Kurz-Definition: „Verkehrswende“ meint die Änderung des Auto-zentrierten Verkehrswesens hin zu mehr ÖPNV, E-Mobilität, usw., sowie und eine Änderung des eigenen Mobilitätsverhaltens

Das Wort „Energiewende“ ist uns mittlerweile sehr geläufig. Meist stellt man sich dabei Dinge wie Windkrafträder und Solar-Panels vor, die grünen Strom für die heimische Steckdose produzieren. Es ist jedoch zu beobachten, dass beim Thema Energiewende selten über Verkehrspolitik geredet wird, obwohl der Verkehr für rund 20 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich ist. Es reicht eben nicht, nur Kohlekraftwerke durch Windräder zu ersetzen, auch eine Verkehrswende ist nötig. Weiterlesen

Mehrsprech – „Do-ocracy“

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Kurz-Definition: Do-ocracy ist die „Regierungsform“ selbstorganisierter Gruppen, die nach dem Credo „Wer macht, hat Recht“ agieren

Wer mit dem Wort „Anarchismus“ nur negative Dinge verbindet, wird sich wundern, wie oft er oder sie schon selbst anarchistisch war: Bei der Organisation von Geburtstagen, beim Leben in einer Wohngemeinschaft, beim Arbeiten an einem gemeinschaftlichen Projekt, … Wer in solchen Fällen die Initiative ergreift, sich freiwillig für Aufgaben meldet und „einfach mal macht“, der ist Teil einer „Do-ocracy“.

 Do-ocracy ist ein Kofferwort aus „Do“ und „Democracy“ und kann als die „Regierungsform“ für selbstorganisierte Gruppen und Prozesse mit flachen Hierarchien und wenig Bürokratie betrachtet werden. „Wer macht, hat Recht“ – die Macht geht von denen aus, die etwas von sich aus tun möchten, Aufgaben werden nicht delegiert, sondern einfach angenommen. Wenn man etwas macht, tut man dies nicht wegen des Lohns, sondern weil man Spaß daran hat, die Notwendigkeit dafür sieht und man soziale Anerkennung dafür erhält. Weiterlesen

Mehrsprech – „Liberal-Extremismus“

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Kurz-Definition: „Liberal-Extremismus“ bezeichnet radikale und antidemokratische Strömungen innerhalb des Liberalismus, die den Staat zu Gunsten der Märkte minimieren wollen.

Liberal“ ist ein schizophrener Begriff: Zum einen wird er klassisch als „freiheitlich“ verstanden (Stärkung des Individuums und der Bürgerrechte), zum anderen verbinden mittlerweile viele Menschen „liberal“ mit einer einseitigen Begünstigung und Deregulierung der Wirtschaft gegenüber dem Sozialwesen, der Bildung, der Umwelt und den Bürgerrechten. Für diese Verschiebung haben sich unter anderem Bezeichnungen wie Wirtschaftsliberalismus oder Neoliberalismus eingebürgert, doch ich finde, wir bräuchten eher einen Begriff, der allgemeiner und schärfer die Auswüchse wirtschaftsliberaler Politik und ihrer Gefahren einordnet.

Es macht daher Sinn von „Liberal-Extremismus“ zu sprechen, um klar zu machen, dass es nicht nur an den politischen Polen „rechts“ und „links“ extremistische Tendenzen geben kann, sondern auch im vermeintlich gemäßigten Liberalismus. Wenn wir uns die heutige Welt ansehen, in der große Unternehmen ihre Interessen rücksichtslos durchsetzen können, deregulierte Finanzmärkte ganze Volkswirtschaften bedrohen und Wirtschaftsverbände stellenweise mehr Macht zu besitzen scheinen, als Staaten, müssen wir uns fragen, ob Liberal-Extremismus nicht mindestens genauso gefährlich ist, wie Rechts- oder Linksextremismus – wenn nicht sogar gefährlicher. Weiterlesen

Mehrsprech – „Tiefer Staat“

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Kurz-Definition: Der „Tiefe Staat“ bezeichnet das intransparente und nicht demokratisch kontrollierte Geflecht aus Politik, Wirtschaft und Verwaltung, in der die eigentliche Politik gemacht wird

„Das ist nur die Spitze des Eisbergs“, lautet ein Sprichwort. Gemeint ist damit, dass sich unter der Oberfläche der Dinge oft mehr verbirgt, als darüber. So ähnlich sieht es auch in den Regierungsstrukturen vieler modernen Demokratien aus: An der Oberfläche haben wir gewählte Parlamente, die unseren Willen durchsetzen sollen, doch wesentlich größeres Gewicht besitzt der „Tiefe Staat“, der auf informeller Ebene agiert. Weiterlesen

Mehrsprech – „Cool War“

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Kurz-Definition: „Cool War“ beschreibt eine neue, diffuse Art von Krieg mittels Cyberattacken und Drohnen, der praktisch nie beendet ist

Wir alle kennen den „kalten Krieg“, der bis zum Fall der Mauer zwischen Ost- und Westblock herrschte: Zwei offen verfeindete Mächte, die sich dennoch keine militärischen Kämpfe (also einen „heißen Krieg“) lieferten, sondern sich durch Spionage, Sabotage und Propaganda gegenseitig mürbe machten.

Mittlerweile haben wir den kalten Krieg überwunden, aber in welchem Zustand ist unsere Welt nun? Von Frieden kann angesichts etlicher Konflikte mit globalen Auswirkungen nicht die Rede sein, offene Kriege zwischen Staaten herrschen aber ebenso wenig. Der amerikanische Autor David Rothkopf ist der Meinung, wie befänden uns derzeit in einem „Cool War“, in dem vor allem mit Cyberangriffen á la Stuxnet sowie mit Drohnen gekämpft wird. Als erster hatte Frederik Pohl den Begriff in seinem Science Fiction-Roman „The Cool War“ von 1981 verwendet: Das Buch erzählt davon, wie sich verschiedene Staaten wegen des Mangels an fossilen Brennstoffen mit Computer-Viren bekämpfen. Weiterlesen

Mehrsprech – Wörter als Werkzeuge

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Wie man per Sprache in die Zukunft reisen kann, warum wir neue Begriffe für namenslose Phänomene brauchen und wie man mit Wörtern Unsichtbares sichtbar macht

Ich hab da so ’ne Theorie: „Die Grenzen meiner Sprache sind die Grenzen meiner Welt.“ Das Zitat stammt natürlich nicht von mir, sondern von Ludwig Wittgenstein, aber besser hätte ich es auch nicht ausdrücken können. Und wie das nun mal so ist, wenn man irgendwo über kluge Zitate und treffende Aphorismen stolpert, man denkt sich: „Das muss ich mir unbedingt merken oder irgendwo aufschreiben!“ Immer wieder begegnen uns solche weisen, originellen und wichtigen Gedanken, die uns entscheidende Erkenntnisse und Einsichten über uns selbst und die Welt verraten. Oft genug bedarf es aber nicht einmal eines Satzes, sondern nur eines Wortes, um uns eine neue Erkenntnis oder – was noch entscheidender ist – einen neuen Namen für etwas geben, das wir zuvor nie ganz verstehen und benennen konnten. Wem schoss bei der Entdeckung eines solchen Wortes nicht schon einmal der Gedanke durch den Kopf: „Das habe ich schon so oft gedacht, aber mir fehlte immer ein Wort dafür!“ Weiterlesen

Wahl oder Nichtwahl – das ist hier die Frage

Wahl oder Nichtwahl - das ist hier die Frage

Wie man mit ungültigen Stimmen die Wahl aufmischt, wieso Nichtwählen eine Bestätigung der aktuellen Politik sein kann, und wieso Wahlzwang gefährlicher sein kann, als niedrige Wahlbeteiligung

Es ist ein alter Witz: Warum nicht eine Partei der Nichtwähler gründen – die hätte sofort die Mehrheit im Land. Der eigentliche Witz ist – eine solche Partei gibt es längst. Unter dem Motto „Den Wahlzettel zum Denkzettel machen“, tritt sie seit 1998 als reale Partei zu Bundes- und Landtagswahlen an. Auch wenn ich die Idee im Prinzip gut finde, hat sie einen Schönheitsfehler: Am Ende wählt man halt doch wieder, und zwar eine Partei.

Ich habe demgegenüber einen Alternativvorschlag: Eine einmalige große Initiative vor einer Bundestagswahl, welche nur ein einziges Ziel hat, nämlich möglichst viele Wähler und Nichtwähler an die Wahlurnen zu bringen, die dort ihre Stimme ungültig abgeben. 95 % Wahlbeteiligung, 30 % ungültige Stimmen – das wäre ein klares Statement gegen die Austauschbarkeit der Parteien. Ich glaube sogar, dass man relativ viele Bürger dafür begeistern könnte, da es ein außergewöhnliches Wahlergebnis generieren würde, über das die Politik nicht so leicht hinweggehen könnte, wie über die achselzuckende Meldung, dass die Wahlbeteiligung mal wieder um soundso viel Prozent zurückgegangen ist (bei der letzten Bundestagswahl 2009 war sie übrigens um 7 % auf 70 % gesunken). Vor allem würde man tatsächlich nicht wählen, da man ja nichts ankreuzt, und muss so auch keiner Partei egal welcher Couleur seine Stimme geben. Weiterlesen

Neusprech – Wie man ohne Argumente überzeugt

Neusprech – Wie man ohne Argumente überzeugt

Was sich hinter Wörtern wie „Finanzindustrie“ oder „grundrechtsschonend“ verbirgt, ab wann ein Wort eigentlich Neusprech ist und ob wir unsere eigenen Kampfbegriffe erfinden müssen.

Ich hab da so ’ne Theorie: Durch Sprache kann das politische Denken von Menschen manipuliert werden. Zugegeben, dass ist weder eine besonders neue noch besonders originelle Aussage, aber sie beschreibt im Wesentlichen das, was das Wort „Neusprech“ auszudrücken versucht. Da ich mich in meinen bisherigen Essays immer wieder auf diesen etwas ominösen Begriff bezogen habe, hielt ich es für angemessen, ihm einmal einen eigenen Blogpost zu widmen.

Arbeitsdefinition: „Neusprech“ ist ein vor allem im Umfeld von Netzaktivisten, Podcastern und Bloggern gebrauchter Begriff, der in abwertender Weise einzelne Wörter bis hin zu ganzen Rede-Strategien kritisiert, welche von Politikern, Lobbyisten oder Wirtschaftsvertretern verwendet werden, um für die Bevölkerung nachteilige Vorhaben oder Entscheidungen zu legitimieren oder als wünschenswert erscheinen zu lassen. Weiterlesen

Man darf Rechtsextremismus nicht den Nazis überlassen

Man darf Rechtsextremismus nicht den Nazis überlassen

Warum wir die NPD brauchen, was Deutsche statt verbieten mal tun sollten und wieso eine Gesellschaft ihre Nazis verdient.

Ich hab da so ne Theorie: Nazis sind weniger gefährlich wenn man sie nicht verbietet. Kürzlich wurde ja wieder an einem neuen NPD-Verbot gebastelt. Am 19. März allerdings lehnte die FDP den Verbotsantrag ab: „Dummheit kann man nicht verbieten“, so Philip Rösler. Auch wenn ich ein heftiges Würgen unterdrücken muss, während ich das schreibe: Rösler hat im Prinzip Recht. Den Vorwurf der Verharmlosung muss er sich natürlich gefallen lassen, denn wenn Dummheit das einzig Gefährliche an den Rechten wäre, bräuchten wir sie nicht wirklich zu fürchten. Aber die Aussage stimmt in dem Sinne: Die Partei kann man verbieten, aber nicht das Problem. Weiterlesen

Keine richtige Demokratie in der falschen

Keine richtige Demokratie in der falschen

Warum Volksentscheide nix bringen, wie man die Illusion von Teilhabe erzeugt, was direkte Demokratie leisten kann und warum die Schweizer Demokratie vielleicht nicht die Antwort auf alles ist

Ich hab da so ne Theorie: Eigentlich will man doch keine direkte Demokratie haben, sondern Politiker, die ihre Arbeit richtig machen. Wann immer in Deutschland direktdemokratische Werkzeuge wie Volksentscheide zur Anwendung kommen, muss ich innerlich seufzen: Ja, ich sympathisiere mit der Idee der direkten Demokratie. Aber gleichzeitig habe ich jedes Mal das Gefühl, dass das Problem, weshalb der Ruf nach direkter Demokratie laut wird, gar nicht durch diese gelöst werden kann. Dieses Problem besteht darin, dass wir Regierungen wählen und im Nachhinein mit etlichen ihrer Entscheidungen unzufrieden sind. Entscheidungen, die sich immer wieder an den Interessen von Wirtschaftsverbänden und Lobbys orientieren als an Interessen der Bürger. Also kommt der Wunsch auf, solche Entscheidungen im Sinne der Bürger zu kippen, etwa durch einen Volksentscheid. Damit übernimmt der Bürger aber die Aufgaben der Politiker – warum wählen wir sie dann eigentlich? Weiterlesen